Wasserressourcen in Hochgebirgen

Aus Klimawandel

Hochgebirge als Wassertürme

Hochgebirge sind besondere Landschaftsformen, die eine vielfältige Bedeutung weit über ihre eigenen Grenzen hinaus besitzen. Klimatisch sind Hochgebirge nicht nur durch ihre besondere, bis weit in die obere Troposphäre reichende Höhe und die damit verbundenen Temperaturstufen gekennzeichnet, sondern auch durch ihre Bedeutung in der globalen atmosphärischen Zirkulation. Nord-Süd-verlaufende Gebirgszüge wie vor allem die Kordilleren in Nord- und Südamerika stören die großen von Westen nach Osten verlaufenden Luftströmungen in den mittleren und die von Osten nach Westen ziehenden Passatwinde in den niederen Breiten. Die Folge sind einerseits mäandrierende Strahlströme in der Höhe, andererseits ein gegensätzlich Klima auf den Ost- und Westseiten der Gebirge. So sind die tropischen Anden auf der Westseite extrem trocken, auf der Ostseite dagegen sehr feucht; in der Westwindzone der südlichen Anden kehrt sich das Verhältnis um. Von Osten nach Westen verlaufende Gebirge wie die Pyrenäen, die Alpen oder der Himalaya unterbinden weitgehend den Luftmassenaustausch zwischen Nord und Süd und sorgen so für gegensätzlich klimatische Verhältnisse. Das warme und trockene Mittelmeerklima bleibt weitgehend unbeeinflusst von dem feucht-gemäßigten Klima in West- und Mitteleuropa und umgekehrt, im Gegensatz z.B. zu den Verhältnissen auf dem nordamerikanischen Kontinent. Ähnlich steht das feucht-heiße Monsunklima Südasiens in starkem Kontrast zu den trockenen und kalten Verhältnissen nördlich des Himalayas. Hochgebirge prägen auf diese Weise das Klima über Tausende von Kilometern über ihr eigentliches Gebiet hinaus.

Schematische Darstellung von Hochgebirgsregionen, ihrer Beziehung zum Umland und den Einfluss des Klimawandels. M: Masse in Gt, F: Massenflüsse in Gigatonnen (Gt) pro Jahr.

Durch ihre klimatische Besonderheit stellen Hochgebirge wichtige Wasserressourcen für die Gebirgsregionen selbst und die umliegenden Vorländer bis in große Entfernungen zur Verfügung. Sie werden deshalb auch als „Wassertürme“ bezeichnet, von denen, angetrieben durch die Schwerkraft, das anfallende Wasser über weitverzweigte Flusssysteme ins Umland verteilt wird. Zum einen kommt es in Hochgebirgen zu mehr Niederschlag als in tieferen Regionen. Feuchte Luftmassen werden an Gebirgen zum Aufsteigen gezwungen. Dabei kühlen sie sich ab, der in ihnen enthaltene Wasserdampf kondensiert, und es kommt zum Niederschlag in Form von Regen oder Schnee. Zum anderen sind Gebirgsregionen in der Lage, den Niederschlag über längere Zeiträume zu speichern und somit als Wasserreservoir zu fungieren. Das geschieht auf dreierlei Art und Weise. Je nach Breitenlage und Höhe kommt es erstens in vielen Hochgebirgen zu jahreszeitlich stark schwankendem Schneefall, und das in sehr hohen Lagen sogar in den Tropen. Schnee speichert Wasser von der kalten bis in die wärmere bzw. (in Tropen und Subtropen) von der feuchten bis in die trockene Jahreszeit hinein und stellt beim Tauen Wasser zeitlich verzögert oft dann zur Verfügung, wenn andere Quellen versiegen. Zweitens bilden sich aus Schneelagen über längere Zeiträume Gletscher, die wie Schnee bei höheren Temperaturen und starker Sonneneinstrahlung saisonal tauen und als wichtige Wasserquelle in der trockenen Jahreszeit für Gebiete flussabwärts dienen. Dabei können Gletscher über Jahrzehnte oder Jahrhunderte verlässliche Wasserspeicher sein. Und drittens sind in Gebirgen tektonische wie glaziale Seen wichtige Wassersammler, die durch Abflüsse von direkten Niederschlägen sowie durch Schnee- und Gletscherschmelze gespeist werden. Überall, wo der Mensch Hochgebirge als Siedlungsräume erobert hat, hat er diese Form von Wasserspeicherung durch zahlreiche künstlich angelegte Stauseen erweitert.

In humiden Regionen stammen 30-60% des Süßwassers aus Gebirgen, in semiariden und ariden Gebieten 70-95%.[1] In den Gebieten der Wasserschlösser selbst leben weltweit mehr als 250 Mio. Menschen. Und mehr als 1,6 Mrd. Menschen leben in Regionen, die Wasser aus den Hochgebirgen erhalten,[2] nach anderen Quellen sogar 3 Mrd. Menschen.[3] Der Mensch nutzt das Wasser der Hochgebirge auf vielfache Weise. An erster Stelle steht die Nutzung für die Bewässerung in der Landwirtschaft. So hängen 40% der weltweiten Bewässerung von Flüssen ab, die in Gebirgen entspringen.[3] Aber ebenso wichtig ist die Trinkwasserversorgung in kleineren Städten bis hin zu großen Metropolen, die oft durch eine aufwendige Wasserinfrastruktur an die Wasserreservoire der Hochgebirge angeschlossen sind. Und vielfach wird fließendes Wasser für den Betrieb von Wasserkraftwerken verwendet.

Klimaänderungen in Hochgebirgen

Durch den Klimawandel sind die Wasserspeicher der Hochgebirge langfristig in vielen Fällen gefährdet. Die Temperaturen in den Hochgebirgen des westlichen Nordamerika, der europäischen Alpen und Asiens haben in den letzten Jahrzehnten um 0,3 °C pro Jahrzehnt zugenommen, d.h. deutlich mehr als die globale Mitteltemperatur mit 0,2 °C/Jahrzehnt. Die regionalen Erwärmungsraten sind stark von der Jahreszeit abhängig. So ist die Erwärmung in den europäischen Alpen am deutlichsten im Sommer und Frühling, im Hochland von Tibet dagegen im Winter.[4] Im Allgemeinen ist die Erwärmung stärker in höheren Regionen als in den tieferen Lagen der Hochgebirge. Gründe dafür sind z.B.: In einer trockenen und kalten Atmosphäre, wie sie sich in hohen Lagen findet, führt jede Zunahme der atmosphärischen Feuchtigkeit durch höhere Temperaturen zu einer noch stärkeren Erwärmung. Außerdem spielt der Schnee-Albedo-Effekt eine wichtige Rolle: Wo die Schneebedeckung zurückgeht, nimmt die Absorption der Sonneneinstrahlung zu, was zur Erwärmung der Lufttemperatur und zu einer weiteren Schneeschmelze führt. Schließlich ist der Abkühlungseffekt durch Aerosole stärker in tieferen als in höheren Niveaus.[5]

In Hochgebirgen gab es in den letzten Jahrzehnten keinen klaren Trend für die Niederschläge insgesamt. Der Schneefall hat jedoch vor allem durch die höheren Temperaturen abgenommen, besonders in den unteren Lagen. Projektionen für das 21. Jahrhundert zeigen für viele Gebirgsregionen eine Zunahme der Jahresniederschläge um 5-20 %. Abnahmen wird es dagegen im Mittelmeerraum und den südlichen Anden geben. Die europäischen Alpen müssen mit einer Zunahme von extremen Niederschlägen rechnen.[4]

Die Dauer der Schneebedeckung in Hochgebirgen hat in den letzten Jahrzehnten im Allgemeinen um 5 Tage pro Jahrzehnt abgenommen. Abgenommen haben auch die Schneetiefe und die Schneemasse. Diese Veränderungen können in tieferen Lagen darauf zurückgeführt werden, dass durch die zunehmende Erwärmung mehr Niederschlag als Regen statt als Schnee fällt. Nach Modellprojektionen wird sich dieser Trend fortsetzen. In den tieferen Lagen der europäischen Alpen, im westlichen Nordamerika, im Himalaya und in den subtropischen Anden werden Schneetiefe und –masse unabhängig vom Szenario bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts im Vergleich zu 1986-2005 um 25 % und bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nach dem Szenario RCP8.5 um 80 % und nach RCP4.5 um 30 % abnehmen.[6]

Regionale Wassertürme

Einzelnachweise

  1. Wester, P., A. Mishra, A. Mukherji & A. B. Shrestha (2019): The Hindu Kush Himalaya Assessment. Mountains, Climate Change, Sustainability and People
  2. Immerzeel, W.W., Lutz, A.F., Andrade, M. et al. (2020): Importance and vulnerability of the world’s water towers. Nature 577, 364–369, https://doi-org.e-bis.mpimet.mpg.de/10.1038/s41586-019-1822-y
  3. 3,0 3,1 De Jong, C. (2020): Hochgebirge: Wassertürme für eine wachsende Weltbevölkerung. In: Lozán J. L., S.-W. Breckle, H. Grassl, et al. (Hrsg.). Warnsignal Klima: Hochgebirge im Wandel. pp. 23-27
  4. 4,0 4,1 IPCC (2019): IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 2: High Mountain Areas, 2.2.1
  5. IPCC (2019): IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 2: High Mountain Areas, Box 2.1
  6. IPCC 2019b: IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 2: High Mountain Areas, 2.2.2

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