Erdsystemmodelle

Aus Klimawandel
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Abb. 1: Konzept eines Erdsystemmodells mit Berücksichtigung der Anthroposphäre

Atmosphäre-Ozean- und Erdsystemmodelle

Bis zum vierten Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC von 2007 waren Atmosphäre-Ozean-Modelle die Standardmodelle. Sie werden auch weiterhin intensiv genutzt. Sie bestehen im Wesentlichen aus Wechselwirkungen von Atmosphäre, Ozean, Landoberfläche und Meereis, die das physikalische Klimasystem repräsentieren. Ihre primäre Funktion ist es, die Prozesse im physikalischen Klimasystem zu verstehen. Sie werden vielfach für Projektionen möglicher Klimaentwicklungen in der Zukunft verwendet, basierend auf Annahmen zur künftigen Entwicklung der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen und Aerosolen.[1]

Für den aktuellen Bericht des IPCC von 2013 repräsentieren dagegen primär Erdsystemmodelle den Stand der Entwicklung, die neben den physikalischen Prozessen auch verschiedene biogeochemische Kreisläufe beinhalten, die mit dem physischen System interagieren. Dazu gehören vor allem der Kohlenstoffkreislauf, der Sulfat- und Ozon-Kreislauf und die Vegetation. Zwar werden Kohlendioxid, Aerosole, Ozon und Vegetation auch in den gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Modellen berücksichtig, aber ohne interaktive Rückkopplungen mit dem physikalischen Klimasystem. Gerade die Einbeziehung dieser Rückkopplungen in die Klimasimulation macht den Unterschied zwischen einem physikalischen Klimamodell und einem Erdsystemmodell aus.[2]

Abb. 2: Erdsystemmodell mit integriertem, interaktivem Kohlenstoff-Kreislauf

Interaktiver Kohlenstoff-Kreislauf

Gelegentlich wird wie in Abb. 1 auch die Anthroposphäre als Teil eines Erdsystemmodells betrachtet. Der aktuelle Gebrauch des Begriffs orientiert sich jedoch an der tatsächlichen Modellentwicklung und beschränkt sich gegenwärtig auf die interaktive Einbeziehung der biogeochemischen Kreisläufe. Warum schon darin ein wichtiger Fortschritt in der Modellentwicklung liegt, zeigt das Beispiel Kohlendioxid (Abb. 2). In früheren Modellen wurde das CO2 hauptsächlich als externer Antrieb für Klimaänderungen berücksichtigt. Das durch menschliche Tätigkeiten emittierte Kohlendioxid geht in der Natur jedoch in einen Kreislauf ein, der auf das physikalische Klimasystem zurückwirkt. Ozean und Landvegetation spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie etwa die Hälfte des anthropogenen CO2 als Netto-Senken aus der Atmosphäre aufnehmen. Ihre Aufnahmekapazität verändert sich jedoch unter dem Einfluss des durch das CO2 hervorgerufenen Klimawandels. Das in der Atmosphäre verbleibende CO2 erhöht die Temperatur der Atmosphäre und als Folge auch des Ozeans, verändert den Niederschlag und fördert die Photosynthese der Pflanzen, wodurch die Senken-Funktion von Landvegetation und Ozean erheblich beeinflusst wird. Ein wärmerer Ozean kann weniger CO2 aufnehmen. D.h. mehr Kohlendioxid verbleibt in der Atmosphäre, die dadurch wärmer wird, was wiederum die Temperatur des Ozeans erhöht, der dadurch noch weniger Kohlendioxid aufnehmen kann usw. – ein positiver Rückkopplungsprozess. Pflanzen werden durch mehr CO2 in ihrem Wachstum zwar gefördert und können dadurch mehr Photosynthese betreiben. Gleichzeitig können verringerte Niederschläge in bestimmten Regionen der Erde das Pflanzenwachstum einschränken, wodurch weniger CO2 aufgenommen wird. Und die höheren Temperaturen führen zu einer Verstärkung der Zersetzung von organischem Material und damit zu einer höheren CO2-Freisetzung. Diese Rückkopplungsmechanismen in ein Modell einzubeziehen und in Projektionen zur zukünftigen Klimaentwicklung zu integrieren macht die besondere Qualität von Erdsystemmodellen gegenüber früheren Ozean-Atmosphäre-Modellen aus.

Interaktive Vegetation

Am Beispiel des Kohlenstoff-Kreislaufs ist deutlich geworden, dass auch die Vegetation mit dem physikalischen Klimasystem interagiert. Erdsystemmodelle besitzen daher auch ein interaktives Vegetationsmodell. Die Vegetation ist nicht nur eine wichtige Kohlenstoffsenke, sie beeinflusst durch ihre Albedo auch direkt die Energiebilanz der Erdoberfläche und steuert den Austausch von Wasser mit der Atmosphäre sowie dessen Abfluss in Flüsse und Ströme. Veränderungen der Vegetationsdecke, z.B. eine nordwärts Verschiebung der borealen Wälder, hat daher wichtige biogeophysikalische Rückkopplungen mit dem physikalischen Klimasystem zur Folge. Daher sind verschiedene dynamische globale Vegetationsmodelle entwickelt und in Erdsysteme integriert worden. Auch die Wechselwirkung mit den durch den Klimawandel wahrscheinlich zunehmenden Waldbränden mit dem Klimasystem wurden von Erdsystemmodellen berücksichtigt.

Zielsetzung

Ziel ist es, mit Erdsystemmodellen alle Wechselwirkungen wichtiger geophysikalischer und geochemischer Prozesse im Klimasystem modellieren zu können, unter Einbindung von Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre (die Ozeane und alle Gewässer), Kryosphäre (Eis und Schnee) und sogar der Anthroposphäre (die durch den Menschen bestimmten Aktivitäten und Veränderungen) mit ihren Treibhausgasemissionen.

Angestrebt wird also die Entwicklung eines "System-Erde-Modells", das möglichst alle Komponenten des Klimasystems einschließlich ihrer Rückkopplungen und der externen Störungen simuliert. Ein solches Erdsystemmodell, das enorm viel Rechenkapazität erfordert, könnte künftig auch die Rückwirkungen auf die menschliche Gesellschaft darstellen.

Einzelnachweise

  1. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 9.1.2.1
  2. Flato, G. (2011): Earth system models: an overview, WIREs Climate Change 2, 783–800. doi: 10.1002/wcc.148

Weblinks

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