Hochwasser im Ganges-Brahmaputra-Meghna-Delta: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 5. November 2019, 20:19 Uhr

Risikozonen im Ganges-Brahmaputra-Megna-Delta bei einer globalen Erwärmung von 2 °C und einem Meeresspiegelanstieg von 30 cm.

Geographie

Das von zahllosen Flüssen und Kanälen durchzogene Ganges-Bramaputra-Delta nimmt einen großen Teil des Staates Bangladesch ein. Die Küstenzone umfasst etwa 47 000 km2, was einem Drittel des Staatsgebietes entspricht. Von der Küstenzone, die einen Streifen von 30 bis 195 km vom Meer entfernt umfasst, liegen 62% unter 3 m und 86% unter 5 m über dem Meeresspiegel. Hier leben 35 Millionen Menschen bzw. 28% der Bevölkerung Bangladeschs. Die Bevölkerungsdichte beträgt mit 743 Einwohnern pro km2 mehr als das Dreifache der Einwohnerdichte Deutschlands.[1]

Gefährdung vom Land her

Flusshochwasser

Während der Monsunzeit von Juni bis Oktober übertreffen die Abflussmengen oft die Durchflusskapazitäten der großen Ströme Ganges, Brahmaputra und Meghna, so dass es zu Überschwemmungen kommt. Das niedrig gelegene Ganges-Brahmaputra-Meghna-Delta ist durch den Abfluss der großen Flüsse aus dem Himalaya während der Monsunzeit, aber auch durch starke Monsun-Niederschläge vor Ort oft starken Überschwemmungen ausgesetzt.[2] Die Höchststände des Wasserniveaus der drei Flüsse treffen meistens nicht zeitgleich aufeinander, da die Niederschläge in den Einzugsgebieten nicht gleichzeitig fallen und die Abflusszeiten unterschiedlich lang sind. Falls es doch einmal dazu kommt, sind die Überflutungen besonders verheerend wie 1988 und 1998. Während Ganges und Brahmaputra und deren Nebenflüsse Niederschläge vor allem aus dem Himalaya transportieren, nimmt der kürzere Meghna aus dem Himalaya-Vorland nur wenig Wasser auf, sammelt aber in seinem Unterlauf die Hauptwassermenge der beiden anderen Ströme.[2]

Direkte menschliche Eingriffe

Verstärkt werden die Naturkatastrophen durch direkte Einwirkungen des Menschen, die die Topographie des Deltas stark verändert haben. So wurden in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts große Teile eingedeicht, was zu deutlich höheren Wasserständen bei Hochwasser geführt hat. Das mittlere Hochwasser lief an einigen Messpunkten jedes Jahr um 10-17 mm höher auf. Hinzu kamen Bodenabsenkungen des Deltas, die ebenfalls teilweise durch Eingriffe des Menschen wie Grundwasserentnahme oder Bauten und Infrastrukturanlagen verursacht wurden. Solche Bodenabsenkungen belaufen sich nach unterschiedlichen Studien auf 5-7 mm/Jahr.[3] Ein Teil der Bodenabsenkungen ist auch auf die Eindeichungen selbst zurückzuführen. Seit den 1960er und 1970er Jahren wurden zahlreiche Inseln im Ganges-Brahmaputra-Delta eingedeicht, um Land für den Reisanbau zu gewinnen. Dadurch wurden die Gebiete zwar vor Überschwemmungen und Sturmfluten geschützt. Es wurde so aber auch die Ablagerung von Sedimenten verhindert. Gegenüber den benachbarten Gebieten der Sundarbans verloren die eingedeichten Inseln seitdem ca. 1-1,5 m an Höhe.[4]. Die Flusssedimente haben sich zudem in den Flussbetten und vor der Küste abgelagert und behindern so den Abfluss. Bei extremen Hochwasserbedingungen kann es trotz der Schutzmaßnahmen zu Überflutungen der Dämme oder zum Dammbruch kommen. Aus den überschwemmten Poldern kann das Wasser dann nicht abfließen, da die Flussbetten oft höher als die Polder liegen. Solche Extremsituationen können z.B. bei starkem Monsunwind aus südlicher Richtung, bei Flusshochwasser oder auch bei gleichzeitigen tropischen Wirbelstürmen auftreten.[2]

Hinzu kommen Infrastrukturmaßnahmen an den Flussläufen oberhalb des Deltas. Dafür steht vor allem der Bau des Farakka-Staudamms 1975, durch den am indischen Ganges kurz vor der Grenze zu Bangladesch Wasser nach Kalkutta umgeleitet und die Sedimentablagerungen im Ganges-Brahmaputra-Meghna-Delta um die Hälfte verringert wurden. Die Absenkung der Delta-Oberfläche durch geringere Sedimentablagerungen und Verdichtung des Bodens hat durch diese und die oben erwähnten Maßnahmen lokal bis zu 45 mm/Jahr erreicht.[5]

Gefährdung vom Meer her

Tropische Wirbelstürme

In Bangladesch sind Sturmfluten von fünf und mehr Metern Höhe keine Seltenheit. Die Gründe liegen in dem flachen Wasser im nördlichen Golf von Bengalen, in der Abgeschlossenheit des Golfs nach Norden und in den hoch auflaufenden Gezeiten. Vor allem der mittlere Teil der Küstenzone, der durch das Ästuar der drei großen Ströme Ganges, Brahmaputra und Megna gebildet wird, hat in den letzten Jahrzehnten wohl die schlimmsten Katastrophen durch Tropische Wirbelstürme (im Indischen Ozean "Zyklone" genant) und Sturmfluten in der Welt erlebt.[6] So forderte etwa 1991 während eines hohen Gezeitenwasserstands eine durch einen Zyklon ausgelöste Sturmflut 138 000 Todesopfer. Bei maximalen Windgeschwindigkeiten von 225 km/h lief die Sturmflut 6 m hoch auf.[7] 1997 ebrach mit 275 km/h ein noch stärkerer Zyklon über den Küstenstreifen Bangladesch herein, jedoch während Ebbe, sodass es kaum zu Überschwemmungen kam und nur 155 Tote zu beklagen waren.[2]

Direkte und indirekte Folgen des Meeresspiegelanstiegs bis 2100 für Bangladesch[8]

Meeresspiegelanstieg

Schon in den letzten Jahrzehnten ist der regionale Meeresspiegel im Golf von Bengalen ungewöhnlich stark angestiegen. So zeigte eine Untersuchung an vier Messtationen einen Anstieg von 4-7,8 mm/Jahr, was deutlich über dem globalen Mittel von 1-2 mm/Jahr im 20. Jahrhundert liegt.[7] In den letzten drei Jahrzehnten lag der Meeresspiegelanstieg im Golf von Bengalen im Mittel bei 8 mm/Jahr.[5] Grund sind die Absinkvorgänge des Deltas durch tektonische Senkung, Wasserentnahme und geringere Sedimentation. Ein weiterer Meeresspiegelanstieg würde bisherige Landgebiete in Teile des Ozeans verwandeln und hier die Wellenhöhen während einer Sturmflut noch höher auflaufen lassen. Der Anstieg des Meeresspiegels würde außerdem das Wassers der großen Ströme, die in den Golf von Bengalen münden, aufstauen, wodurch weitere Überflutungen im Landesinnern verursacht würden. Bei einem Meeresspiegelanstieg von 1 m würden fast 30 000 km2 (nach anderen Berechnungen etwa 14 000 km2) Land überflutet werden. Die Mangrovenwälder der Sundarbans im Südwesten der Küstenzone, die größten zusammenhängenden Mangrovenwälder der Welt, die die Lebensgrundlage für die Subsistenzwirtschaft (vor allem Fischfang) von 10 Millionen Menschen bieten, würden ganz verloren gehen.[7]

Das Ganges-Brahmaputra-Megna-Delta: Die exponierte Küstenzone (blau-grüne Fläche) würde bei einem Meeresspiegelanstieg von 1 m weitgehend verloren gehen. Die gelbe und rote Linie zeigen das Eindringen von Meerwasser in den letzten Jahrzehnten.

Eindringen von Salzwasser

Ein besonderes Problem stellt das Eindringen von salzhaltigem Meerwasser dar, das sich schon gegenwärtig bemerkbar macht. Eine Untersuchung über den Zeitraum von 1967 bis 1997 zeigt eine zunehmende Versalzung des Bodens auf breiter Front.[9] Durch den weiteren Meeresspiegelanstieg würde die Versalzung noch weiter ins Inland vordringen.

Nettomigration bei einem künftigen Meeresspiegelanstieg von 0,3 m bis 2050 und 1,5 m bis 2100. Rot: Nett-Abwanderung, blau: Netto-Zuwanderung

Soziale Folgen

Die Versalzung der Böden und der Gewässer hätten weit reichende Folgen für die Landwirtschaft und die Gesundheit der Bevölkerung. Einerseits würde, wie schon heute zu beobachten, das Shrimp-Farming davon profitieren, da Shrimps in Gewässern mit 0,5 bis 2,5 % Salzgehalt optimal gedeihen. Andererseits würden durch die Bodenversalzung und die Umwandlung in Shrimp-Teiche große Flächen für den Reisanbau verloren gehen. Eine weitere Folge wäre die verstärkte Ausbreitung von Cholera und anderen Krankheiten, da eine warme und feuchte Umgebung mit mäßig hohem Salzgehalt die entsprechenden Krankheitserreger begünstigen. Die Shrimp-Aquakultur braucht außerdem weniger Arbeitskräfte und erfordert einen höheren Kapitaleinsatz und trägt somit zum Verlust der Lebensgrundlagen gerade der ärmeren Bevölkerung bei und treibt sie oft in die Migration. Die Folge ist eine stark wachsende Bevölkerung vor allem in den beiden Megastädten Kalkutta und Dhaka.[10] Am Ende des 21. Jahrhunderts könnten bei einem Meeresspiegelanstieg von 1,5 m sogar 2 Mio. Menschen zur Migration gezwungen sein. Als Folge der Migrationsströme werden wahrscheinlich schon bis zur Jahrhundertmitte in den Zielgebieten rund 600 000 neue Arbeitsplätze und 200 000 neue Wohnungen gebraucht werden.[11]

Nach neueren Modell-Berechnungen[11] würden bei einem Meeresspiegelanstieg von 0,3 m bis 2050 wahrscheinlich 900 000 Menschen aufgrund von Überschwemmungen ihre angestammten Wohngebiete verlassen und in höher gelegene Gebiete ziehen. Am Ende des 21. Jahrhunderts könnten bei einem Meeresspiegelanstieg von 1,5 m sogar 2 Mio. Menschen zur Migration gezwungen sein. Die Zielgebiete der Migration sind über die südliche Hälfte des Landes verstreut, wobei die Hauptstadt Dhaka die meisten Menschen anziehen wird. Es wird damit gerechnet, dass nahezu alle Migranten in nahe gelegene Gebiete, die weniger betroffen sind, fliehen werden und kaum in fernere Gegenden in Bangladesch oder gar ins Ausland. Als Folge der Migrationsströme werden wahrscheinlich schon bis zur Jahrhundertmitte in den Zielgebieten rund 600 000 neue Arbeitsplätze und 200 000 neue Wohnungen gebraucht.

Einzelnachweise

  1. Mohal, N., Z.H. Khan, N. Rahman (2006): Impact of Sea level Rise on Coastal Rivers of Bangladesh, International Riversymposium, Brisbane; Sarwar, M.G.M., Impacts of Sea Level Rise on the Coastal Zone of Bangladesh. Master’s in Environmental Science thesis, Lund University, Sweden. 2005.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Haque, A., & Nicholls, R. J. (2018): Floods and the Ganges-Brahmaputra-Meghna Delta. In: R. J. Nicholls, C. W. Hutton, W. N. Adger, S. E. Hanson, M. M. Rahman, & M. Salehin (Eds.), Ecosystem services for well-being in deltas: Integrated assessment for policy analysis (pp. 147–159). Cham: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-319-71093-8_8.
  3. Pethick, J., and J.D. Orford (2013): Rapid rise in effective sea-level in southwest Bangladesh: Its causes and contemporary rates, Global and Planetary Change 111, 237–245
  4. Auerbach, L.W., et al. (2015): Flood risk of natural and embanked landscapes on the Ganges–Brahmaputra tidal delta plain, Nature Climate Change, DOI: 10.1038/NCLIMATE2472
  5. 5,0 5,1 Darby, S.E., K.A. Addo, S. Hazra, Md.M. Rahman, and R.J. Nicholls (2020): Fluvial Sediment Supply and Relative Sea-Level Rise, in: Nicholls, R.J., W.N. Adger, C.W. Hutton & S.E. Hanson (eds.): Deltas in the Anthropocene, https://doi.org/10.1007/978-3-030-23517-8
  6. Ali, A. (1999): Climate change impacts and adaption assessment in Bangladesh, Climate Research 12, 109-116
  7. 7,0 7,1 7,2 M.F. Karim, and N. Mimura (2008): Impacts of climate change and sea-level rise on cyclonic storm surge floods in Bangladesh, Global Environmental Change 18, 490-500
  8. Daten nach Sarwar, M.G.M., Impacts of Sea Level Rise on the Coastal Zone of Bangladesh. Master’s in Environmental Science thesis, Lund University, Sweden. 2005.], Lund
  9. Sarwar, M.G.M. (2005): Impacts of Sea Level Rise on the Coastal Zone of Bangladesh. Master’s in Environmental Science thesis, Lund University, Sweden
  10. Nicholls, R.J., W.N. Adger, C.W. Hutton & S.E. Hanson (eds.) (2020): Deltas in the Anthropocene, https://doi.org/10.1007/978-3-030-23517-8
  11. 11,0 11,1 Davis, K.F., A. Bhattachan, P. D'Odorico4 and S. Suweis (2018): A universal model for predicting human migration under climate change: examining future sea level rise in Bangladesh, Environ. Res. Lett. 13, 6, https://doi.org/10.1088/1748-9326/aac4d4

Weblinks


Schülerarbeiten zum Thema

Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:


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