Klimawirkung von Aerosolen

Aus Klimawandel
Veränderung der mittleren bodennahen Temperatur im Vergleich zum vorindustriellen Wert durch anthropogene Aerosole

Welche Wirkung hat der Einfluss der Aerosole insgesamt auf das globale Klima und besonders auf den gegenwärtig zu beobachtenden Klimawandel?

Allgemeine Wirkung

Temperaturdifferenz zwischen dem vorindustriellen Wert (0 °C) und der Gegenwart durch verschiedene Antriebe über Land

Nach Modellberechnungen erwärmt sich die Luft in Bodennähe um 0,5 bis 0,8 °C pro 1 W/m2 Strahlungsantrieb an der Obergrenze der Atmosphäre. Von den 2,4 W/m2, die nach IPCC-Schätzungen seit Beginn der Industrialisierung in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch die langlebigen Treibhausgase CO2, CH4, N2O und FCKW verursacht wurden, werden 0,4 W/m2 im Ozean gespeichert. Die verbleibenden 2 W/m2 sollten eine Erwärmung von 1 bis 1,6 °C zur Folge haben. Die beobachtete Erwärmung seit 1860 beträgt jedoch nur 0,8 °C. Für die Differenz ist wahrscheinlich die zunehmende Aerosolbelastung seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich, die an der Obergrenze der Atmosphäre einen Strahlungsantrieb von ca. -1 W/m2 verursacht hat.[1] Nach Modellberechnungen des Hamburger Max-Planck-Instituts, die die Differenz zwischen 1860 und 1985 berücksichtigt, haben Aerosole eine mittlere globale Abkühlung von 0,9 °C seit vorindustrieller Zeit hervorgerufen. Die Erwärmung infolge der Treibhausgaszunahme beträgt hiernach 1,7 °C; die Nettoerwärmung liegt bei 0,6 °C. Dieser Wert ist kleiner, als eine Addition beider Einzelwerte ergäbe, was an Auswirkungen auf Wolkenbildung und Strahlung liegt.[2]

Es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahrzehnten nicht nur die Industriestaaten, sondern auch die Schwellenländer versuchen werden, die Aerosolemissionen weiter zu reduzieren. Man muss daher von einem doppelten Erwärmungseffekt ausgehen, zum einen durch den Anstieg der Treibhausgaskonzentration und zum anderen durch die Reduzierung der Aerosolemissionen. Nach Modellrechnungen, die von einer maximal möglichen Aerosolreduzierung bis 2030 ausgehen, würde allein durch die geringere Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre die globale Mitteltemperatur um fast 1 °C ansteigen. Hinzu käme noch eine Erwärmung von 1,2 °C durch die höhere Konzentration von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen, so dass es bis 2030 zu einer gesamten Erwärmung um 2,2 °C kommen könnte.[3]

Regionale Differenzen

Die Abbildung oben zeigt, dass der Temperatureffekt durch anthropogene Aerosole überall auf dem Globus negative Werte aufweist. In Abhängigkeit von der räumlichen Verteilung der Aerosole ist ihre klimatische Wirkung am stärksten auf der Nordhalbkugel und größer über den Kontinenten als über den Ozeanen. Die deutlichen Effekte über Sibirien und den Polargebieten sind durch den Schnee-Albedo-Feedback verursacht: Die Abkühlung durch Aerosole vergrößert die Schnee- und Eisbedeckung, wodurch mehr Sonnenstrahlen zurückgestreut werden, was wiederum eine weitere Abkühlung zur Folge hat. In den wenig verschmutzten Gebieten über den südlichen Ozeanen ist die Aerosolwirkung am geringsten. In allen geographischen Breiten über Land übertrifft der Erwärmungseffekt durch anthropogene Treibhausgase in den letzten 150 Jahren allerdings die Wirkung der Aerosole eindeutig.

Globale Verdunkelung und globale Aufhellung

Die globale Sonneneinstrahlung am Boden nach der geographischen Breite

Im Hinblick auf die natürlichen Einflussfaktoren zeigt sich ein erstaunliches Paradox. Einerseits hat die globale Temperatur deutlich zugenommen, andererseits zeigt sich an zahlreichen Messstationen weltweit eine Abnahme der Sonneneinstrahlung am Boden von den 1960er zu den 1980er Jahren um etwa 7 W/m2. Die Erklärung wird in der Zunahme der anthropogenen Treibhausgase und der damit verbundenen Zunahme an Wasserdampf auf der einen und der anthropogenen Aerosole und der damit verbundenen Zunahme der Reflexion der Sonneneinstrahlung sowie der Wolkenbedeckung auf der anderen Seite gesehen.[4] Aerosole schwächen die Sonneneinstrahlung sowohl direkt in wolkenfreier Atmosphäre wie indirekt durch ihre Veränderung der Wolkenbedeckung. Hinzu kommt, dass Aerosole durch den starken Abkühlungseffekt am Boden und die teilweise Erwärmung in der mittleren Troposphäre das vertikale Temperaturprofil verändern. Hieraus können sich erhebliche Folgen für den hydrologischen Zyklus ergeben.

Neuere Untersuchungen haben bei der Strahlungswirkung der Aerosole seit Mitte des 20. Jahrhunderts drei Phasen unterschieden:[5]

  1. eine deutliche Schwächung der Sonneneinstrahlung in den 1950er-1980er Jahren, die als "globale Verdunkelung" (engl. "global dimming") bezeichnet wird,
  2. eine Zunahme der Sonneneinstrahlung seit den 1980er Jahren bis 2000, die z.T. "globale Aufhellung" (engl. "global brightening") genannt wird,
  3. ab 2000 einen Rückgang der "Aufhellung" mit wieder zunehmender Schwächung der Solarstrahlung.

Entsprechend kann der Verlauf der globalen Mitteltemperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts zumindest teilweise durch den Einfluss der Aerosole erklärt werden.[5] Das trifft besonders für die Nordhalbkugel zu, von der mit großem Abstand die meisten anthropogenen Aerosole stammen.

Von 1950 bis 1980 hatte die starke Aerosolkonzentration auf der Nordhalbkugel eine abkühlende Wirkung, die den Treibhauseffekt durch anhtropogene Treibhausgase etwa ausgeglichen hat. Entsprechend gab es in dieser Zeit keine nennenswerte Erwärmung bzw. eine minimale Abkühlung von -0,002 °C pro Jahrzehnt. Seit den 1980er Jahren hat die Emission von Aerosol-Vorläuferstoffen, insbesondere von Schwefeldioxid, durch die Luftreinhaltungsmaßnahmen in den entwickelten Industrieländern und den teilweisen Zusammenbruch der sozialistischen Altindustrie deutlich abgenommen. Das Ergebnis war ein deutlicher Anstieg der Mitteltemperatur der Nordhalbkugel zwischen 1980 und 2000 um 0,3 °C pro Jahrzehnt. Die Südhalbkugel zeigt dagegen zwischen 1950 und 2000 eine durchgehende Erwärmung von etwas mehr als 0,1 °C pro Jahrzehnt. Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000 erklären.[5]

Folgen für den hydrologischen Zyklus

Allgemein wird angenommen, dass der hydrologische Zyklus infolge der globalen Erwärmung durch die Zunahme der Treibhausgase intensiviert wird.[6] Fast alle Klimamodelle zeigen, dass eine Erwärmung an der Erdoberfläche um 1 °C durch die Steigerung der Verdunstung besonders über den Ozeanen eine Erhöhung der Niederschläge um 2-3% zur Folge hat. Die Verdunstung nimmt vor allem zu, weil die Wasserdampfkapazität einer wärmeren Atmosphäre erhöht ist. Beobachtungen über die letzten 50 Jahre bestätigen diesen Befund der Modelle jedoch nur begrenzt und zeigen in einigen Gebieten eine Abnahme der potentiellen Verdunstung. Als wahrscheinliche Erklärung gilt eine Reduzierung der Sonneneinstrahlung durch mehr Wolken und/oder Aerosole.[7] Modellrechnungen bestätigen solche Zusammenhänge:[8] Die Zunahme von Wolken und Aerosolen in den letzten Jahrzehnten führt im Modell zu einer Reduktion der Sonneneinstrahlung am Boden um 5,2 W/m2 über Land und 3,8 W/m2 global.

Aerosole wirken dem Einfluss der Treibhausgase auf Verdunstung und Niederschlag entgegen. Erstens verzögern sie direkt den Niederschlag durch ihren Einfluss auf die Tröpfchengröße. Zweitens verringert die durch Aerosole verursachte Verminderung der Einstrahlung die Verdunstung und in der Folge auch den Niederschlag. Und drittens sorgt die Erwärmung der unteren Atmosphäre durch absorbierende Aerosole (vor allem durch Ruß) für eine Verringerung der Temperaturabnahme mit der Höhe und damit für eine Schwächung des Auftriebs warmer wasserdampfhaltiger Luft, was wiederum die Niederschlagsneigung schwächt. Die Erwärmung der unteren Atmosphäre durch Ruß-Aerosole sorgt auch direkt für eine abnehmende Bewölkung und eine Reduzierung von Niederschlägen.[9] Quantitativ können diese Effekte durch Beobachtung bisher nicht bestätigt werden. Modellrechnungen zeigen jedoch sehr deutliche Effekte.

Nach neueren Modellrechnungen[10] dürfte die Veränderung bei Verdunstung und Niederschlag durch Aerosole trotz des geringeren Temperatureinflusses höher als durch Treibhausgase sein. Der hydrologische Zyklus reagiert hiernach auf Veränderungen im Aerosolgehalt dreimal stärker als auf Veränderungen in der Konzentration von Treibhausgasen. Während die globale Erwärmung den hydrologischen Zyklus verstärkt, ist der Aerosoleffekt auf die Einstrahlung am Boden stark genug, um diesen Effekt umzudrehen. Die Verringerung der Niederschläge ist besonders groß über aerosolbelasteten Gebieten. Da der Niederschlag die Hauptursache für die Entfernung von Aerosolen aus der Atmosphäre ist, gibt es ein positives Feedback.: Die Verringerung der Niederschläge sorgt für eine Erhöhung der Aerosolkonzentration usw. Außerdem stabilisiert die Abkühlung des Bodens durch Aerosole die untere Atmosphärenschicht und unterdrückt die Konvektion. Trotz einer allgemeinen Erwärmung (hier übertrifft der Treibhauseffekt den Aerosoleffekt) nimmt der Niederschlag in manchen Breiten ab, besonders über den Kontinenten in niederen Breiten.

Abhängigkeit vom Klima

Der anthropogene Aerosoleffekt hängt stark vom Zustand des Klimas ab. Bei gleicher Emission ist die Aerosolkonzentration in einem Treibhausklima niedriger als ohne Treibhauserwärmung. Durch die Treibhausgaserwärmung wird die Aerosolmenge in der Atmosphäre reduziert. Grund ist die kürzere Verweilzeit von Aerosolen, die durch die Verstärkung von Niederschlägen bedingt ist. In einem kühleren Klima ist die Schwächung des hydrologischen Zyklus mit einer längeren atmosphärischen Verweilzeit von Aerosolpartikeln und folglich einer größeren räumlichen Verbreitung verbunden. Ebenso besitzen Wolken eine längere Verweilzeit durch den zweiten indirekten Aerosoleffekt. Pro 1 °C Erwärmung nimmt die simulierte Aerosolmenge um 17% ab. Daraus folgt, dass eine weitere Erwärmung durch Treibhausgase die Konzentration von Aerosolen weiter reduzieren könnte, auch wenn die Emissionen gleich bleiben.

Einzelnachweise

  1. Ramanathan, V., P.J. Crutzen, J.T. Kiehl, and D. Rosenfeld (2001): Aerosols, Climate, and the Hydrological Cycle, Science 294, 2119-2124
  2. Feichter,J., E. Roeckner, U. Lohmann, and B. Liepert (2004): Nonlinear Aspects of the Climate Response to Greenhouse Gas and Aerosol Forcing, Journal of Climate 17, 2384-2398
  3. Kloster, S. et al. (2010): A GCM study of future climate response to aerosol pollution reductions, Climate Dynamics 34, 1177-1194
  4. Liepert, B.G., J. Feichter, U. Lohmann, E. Roeckner (2004): Can aerosols spin down the water cycle in a warmer and moister world?, Geophys. Res. Lett., 31, No. 6
  5. 5,0 5,1 5,2 Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37
  6. Trenberth, K.E., A. Dai, R.M. Rasmussen, and D.B. Parsons (2003): The Changing Character of Precipitation, Bulletin of the American Meteorological Society 84, 1205-1217
  7. Roderick, M. L., and D. Farquhar (2002), The cause of decreased pan evaporation over the past 50 years, Science 298, 1410-1411
  8. Liepert, B.G., J. Feichter, U. Lohmann, E. Roeckner: Can aerosols spin down the water cycle in a warmer and moister world? Geophys. Res. Lett., 31, No. 6
  9. Kaufman, Y.J., D. Tanré, and O. Boucher (2002): A satellite view of aerosols in the climate system, Nature 419, 215-223
  10. hierzu und zu den folgenden Ausführungen vgl. Feichter,J., E. Roeckner, U. Lohmann, and B. Liepert (2004): Nonlinear Aspects of the Climate Response to Greenhouse Gas and Aerosol Forcing, Journal of Climate 17, 2384-2398


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