Meereis

Aus Klimawandel

Meereis und Klima

Arktischen September-Meereis zwischen 1979 und 2007

Im Unterschied zu dem Eis der großen Eisschilde, das durch Niederschlag entsteht, wird Meereis durch das Gefrieren von Meerwasser gebildet. Bei einer Wassertemperatur von unter -1.8 oC bilden sich millimetergroße Eiskristalle, die sich an der Wasseroberfläche ansammeln und zu einer Eisdecke zusammenfrieren. In den Prozess des Gefrierens werden nur Wassermoleküle einbezogen, während die viel größeren Salzionen im Meerwasser zurück bleiben und dadurch dessen Salzgehalt erhöhen.

Meereis ist nicht nur ein wichtiger Indikator für Klimaänderungen, sondern auch eine bedeutender Klimafaktor. Von klimatisch großer Bedeutung ist die Eis-Albedo-Rückkopplung. Die hohe Albedo von 60 bis 90% führt dazu, dass die einfallende Sonnenstrahlung größtenteils wieder in den Weltraum reflektiert wird. Dadurch erklären sich zu einem großen Teil die geringen Temperaturen in den hohen Breiten und die starken jahreszeitlichen Schwankungen der Temperatur in den Gebieten mit wechselnder Eisbedeckung.

Anders als bei Eisschilden erfolgt die Reaktion von Meereis auf klimatische Veränderungen nahezu unmittelbar. Die Ausdehnung von Meereisgebieten und die Dicke des Meereises reagiert daher deutlich auf die jahreszeitlichen Temperaturänderungen. So schwankt die Meereisausdehnung in der Arktis zwischen 15 Millionen km2 im Winter und 7 Millionen km2 im Sommer und in der Antarktis sogar zwischen 18 und 3 Millionen km2. Diese extremen jahreszeitlichen Schwankungen machen es schwierig, längerfristige Trends festzustellen.

Veränderungen des arktischen Meereises

Die Ausdehnung von Meereis lässt sich seit den 1970er Jahren ziemlich gut durch Satellitenbeobachtungen erfassen. Alle Beobachtungen zeigen für die letzten Jahrzehnte eine deutliche Abnahme der arktischen Meereisbedeckung, im sommerlichen Minimum im September um etwa 8% pro Jahrzehnt. Die Meereisdecke der Antarktis nimmt dagegen im Winter leicht um 0,5% pro Jahrzehnt zu und bleibt im Sommer ungefähr gleich. Der Trend in der Arktis hat sich in den letzten Jahren sogar verstärkt. Seit Ende der 1970er Jahre hat sich im September die Meereisausdehnung um ca. 20% verringert. D.h. alle 10 Jahre gehen der Arktis 220.500 km2 Eisfläche verloren.

Auch die Meereisdicke scheint in der Arktis deutlich abgenommen zu haben, obwohl es schwierig ist, hierüber verlässliche flächendeckende Informationen zu erhalten. Das Meereis der Arktis wird unter heutigen Klimabedingungen wenige Dezimeter oder Meter dick. Es bildet daher nur eine dünne Haut auf dem Arktischen Ozean und kann leicht durch Winde und Meeresströmungen bewegt und dabei auch aufgerissen werden. Regional und lokal kann das Eis infolgedessen sehr unterschiedlich dick sein. Dabei findet sich das dickste Eis nicht unbedingt in Gebieten mit den niedrigsten Temperaturen, sonder vielmehr dort, wo es durch Eisdrift zusammengeschoben wird. Im Arktischen Ozean gibt es entsprechend den mittleren Windsystemen zwei große Driftsysteme. Im Beaufortwirbel nördlich der Küsten Alaskas zirkuliert das Eis im Uhrzeigersinn. Im Transpolarstrom wird es von den Küsten Sibiriens über den Nordpol in die Frahmstraße zwischen Spitzbergen und Grönland transportiert. Entsprechend finden sich großräumig gesehen das dünnste Eis vor den Küsten Sibiriens und das dickste Eis mit bis zu 6 m Mächtigkeit vor den Küsten Grönlands und Kanadas.

Außer durch punktuelle Bohrungen wurde die Eisdicke in der Vergangenheit vor allem durch Echolotmessungen von U-Booten aus gemessen. In jüngster Zeit sind elektromagnetische Induktionsmessungen durch Hubschraubersonden hinzugekommen. Die U-Boot-Messungen zeigen zwischen den 1950er und 1990er Jahren im zentralen Arktischen Ozean eine Abnahme der Eisdicke um 43% bzw. von 3,1 auf 1,8 m. Die Hubschrauber-Messungen ergaben eine Abnahme von 2,5 auf 1,95 m bzw. um 22% von 1991 bis 2001 zwischen Spitzbergen und dem Nordpol.

Ursachen der Eisschmelze

Für die beobachteten Veränderungen der Eisausdehnung und Meereisdicke kommen verschiedene Ursachen in Frage. Sie können sowohl thermischer wie dynamischer Natur und natürlich oder anthropogen bedingt sein. Eine Ursache liegt mit Sicherheit in der Erwärmung der bodennahen Luftschichten, die im Mittel zwischen 1981 und 2003 0,54 oC pro Jahrzehnt betrug und damit deutlich über dem globalen Durchschnitt lag. Außerdem drang in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten verstärkt warmes Meereswasser aus dem Atlantik und Pazifik in den Arktischen Ozean ein. Eine Folge der Erwärmung von Atmosphäre und Meerwasser war die Vorverlegung des Beginns der sommerlichen Eisschmelze und die Verschiebung ihres Endes in den späteren Herbst hinein, so dass sich die Schmelzperiode seit Anfang der 1980er Jahre um etwa 10 Tage pro Jahrzehnt verlängert hat. Die dadurch verkürzte winterliche Eisbildungsperiode erlaubte in vielen Regionen, in denen früher mehrjähriges Eis lag, keine Eisdicken mehr, die den nächsten Sommer überdauerten. Hinzu kam ein weiterer sehr wichtiger Effekt: Die Ausdehnung eisfreier Flächen reduzierte großflächig die Albedo und verstärkte die Absorption der solaren Einstrahlung durch das Meerwasser. Dadurch erwärmte sich nicht nur das Meerwasser, sondern auch die darüber liegende Atmosphäre, wodurch weiteres Eis zum Schmelzen gebracht wurde. Die sich auf diese Weise selbst verstärkende Meereis-Albedo-Rückkopplung hat so von Jahr zu Jahr zu einer immer geringer werdenden Eisbedeckung geführt.

Ein weiterer Ursachen-Faktor sind Veränderungen in der atmosphärischen Dynamik hin zu einem positiven AO- und NAO-Index und zu einer negativen Phase der Pazifischen Dekadenoszillation (PDO). Diese Veränderungen hatten zur Folge, dass sich der Beaufortwirbel abschwächte und Zyklonen zunehmend in das arktische Kerngebiet eindrangen. Das wiederum bewirkte, dass zunehmend Eis aus dem Arktischen Ozean in den Nordatlantik transportiert wurde. Auch der Zustrom wärmeren Wassers aus dem Atlantik könnte hiermit zusammenhängen. Allerdings haben sich der AO- wie der PDO-Index inzwischen wieder normalisiert. Die Eisschmelze geht dennoch weiter.

Die Gründe dafür liegen möglicherweise darin, dass die Abschmelzvorgänge in den 1980er und 1990er Jahren durch das Zusammentreffen einer stärkeren Erwärmung und Veränderungen der AO und PDO zunächst angestoßen wurden, dann aber eine Eigendynamik entwickelt haben, die sich auch nach der Normalisierung von AO und PDO nicht wieder umkehren ließ. Zunächst haben nach dieser Theorie zwar externe Faktoren eine zunehmende Verringerung der Eisausdehnung und -dicke verursacht, die sich aber nach dem teilweisen Wegfall dieser Faktoren selbst trägt. D.h. der jüngste Rückzug des Eises ist nicht mehr primär auf den externen Antrieb zurückzuführen. Vielmehr sorgt die in jedem Frühjahr verringerte Eismasse dafür, das im darauf folgenden Sommer mehr Wasserfläche eisfrei wird. Dadurch wird mehr Solarstrahlung absorbiert und weniger reflektiert, wodurch der Ozean und die darüber liegende Atmosphäre stärker als im Vorjahr erwärmt werden, was wiederum die Eisschmelze gegenüber dem Sommer davor weiter verstärkt usw.

Prognosen

Die Erwärmung der Atmosphäre setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, aus der Eis-Albedo-Rückkopplung wie aus der globalen Erwärmung infolge des anthropogenen Anstiegs der Treibhausgaskonzentration. Da damit zu rechnen ist, dass beide Faktoren auch weiterhin das Abschmelzen des arktischen Meereises voran treiben werden, wird die Eisbedeckung des arktischen Ozeans über kurz oder lang im Sommer ganz verschwinden. Alle Klimamodellrechnungen zeigen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eine starke Reduzierung der Eisfläche im Sommer, z.T. sogar ihr völliges Verschwinden schon zum Ende dieses Jahrhunderts.