Arktische Ökosysteme

Aus Klimawandel

Aktuelle Entwicklung

Positive Rückkopplung zwischen einer Zunahme der Strauchvegetation und Bodenprozessen in der Tundra im nördlichen Alaska

Terrestrische Ökosysteme

Ökosysteme in der Arktis sind durch den Klimawandel besonders stark betroffen, da hier der Temperaturanstieg überdurchschnittlich hoch ist. So war die Erwärmung in der Arktis in den letzten Jahrzehnten doppelt so stark wie im globalen Mittel, vor allem im Winter. Alaska und das westliche Kanada zeigen z.B. in den letzten 50 Jahren einen winterlichen Temperaturanstieg von 3-4 °C. Die Folgen für die physische Natur sind vielfältig und überall deutlich festzustellen. Besonders gravierend ist das Abschmelzen des arktischen Meereises. Aber auch das Eis auf Grönland und der arktischen Gletscher schmilzt unerwartet schnell. Ebenso hat sich die arktische Schneedecke verringert, in den letzten 30 Jahren um 10 %. Und der arktische Permafrost erwärmt sich in immer größere Tiefen und taut im Sommer über immer größeren Gebieten auf.[1]

Nahezu alle Ökosysteme in dieser Region zeigen daher deutliche Veränderungen. U.a. ist im nördlichen Alaska, in Nord-Kanada und Teilen Sibiriens die Strauchvegetation in frühere Tundragebiete vorgedrungen. In Alaska hat sich die Temperatur in den letzten 30 Jahren vor allem im Winter um 0,5 °C pro Jahrzehnt erhöht, d.h. um das Fünffache des globalen Wertes. Eine Folge ist eine deutliche Zunahme der Strauchvegetation in den Tundragebieten. Die Gründe liegen nicht nur in wärmeren und längeren Sommern. Offensichtlich spielen auch winterliche Rückkopplungsprozesse eine wichtige Rolle: Durch die Strauchvegetation wird die Schneedecke besser gehalten, die wiederum die obere Bodenschicht vor allzu starker Auskühlung schützt. In ihr können dadurch Bodenmikroorganismen eine höhere Aktivität entfalten, was wiederum das Nährstoffangebot für die Strauchwurzeln erhöht. Dadurch wird die Strauchvegetation weiter gefördert usw.[2]

Vorverlegung des Eisaufbruchs und abnehmendes Körpergewicht von Eisbären (Hudson-Bay)

Ozeanische Ökosysteme

Auch bei ozeanischen Ökosystemen der höheren Breiten zeigen sich die Folgen der Erwärmung deutlich. Durch den starken Rückgang von Meereis sind zahlreiche vom Eis abhängige Ökosysteme betroffen. Zunächst hat sich seit den 1970er Jahren die Population von Eisalgen erheblich verringert. Das führte zu einer starken Reduzierung von Krill, z.B. um 38-75 % pro Jahrzehnt in großen Teilen des südwestlichen Atlantik. Krill ist eine wichtige Nahrungsquelle für Fische Seevögel und Meeressäuger. Auch Pinguine zeigen eine dramatische Reaktion auf die abnehmende Ausdehnung des Meereises. Aus ihren nördlichsten Gebieten sind die vom Meereis abhängigen Adele- und Kaiser-Pinguine seit 1970 nahezu ganz verschwunden. So sind die Kaiser-Pinguine an der westlichen Antarktischen Halbinsel von 300 Brutpaaren auf 9 zurückgegangen. Vom Eis elementar abhängig sind die zahlreichen Arten der Seerobben, die am Eisrand und unter dem Eis jagen und auf dem Eis ihre Jungen zur Welt bringen und aufziehen.

Der Meereisrückgang ist in der Arktis noch stärker und umfassender als in der Antarktis. Besonders betroffen ist davon der Eisbär. Eisbären sind abhängig von einer intakten Eisdecke, da sie nur von dieser Plattform aus das Nahrungsangebot des Meeres, vor allem die Seerobbe, effektiv nutzen können. Trächtige Weibchen bauen in hohen Schneedecken auf Meereis oder an Land Höhlen für den Nachwuchs. In den südlichen Randgebieten ihres Vorkommens ziehen sich die Eisbären beim Aufbrechen des Eises im Frühjahr auf das Land zurück, um hier mehr oder weniger fastend zu überleben.

Eisbär auf schwindendem Eis

In der Arktis sind aufgrund der Eis-Albedo-Rückkopplung die Temperaturen besonders stark angestiegen, in der Hudson Bay z.B., einem wichtigen Lebensraum von Eisbären, im Frühling um 2-3 °C in den letzten 50 Jahren. Das dadurch bedingte frühere Aufbrechen des Eises um 7-8 Tage pro Jahrzehnt, d.h. in den letzten 30 Jahren um ca. drei Wochen, zwingt die Bären, früher an Land zu gehen, und zu einer längeren Fastenzeit. Die Folge ist ein Verlust des Körpergewichts. So wurden in der Westlichen Hudson Bay von 1980 bis 2004 bei erwachsenen weiblichen Tieren Gewichtsverluste um durchschnittlich 65 kg (von 295 auf 235 kg) festgestellt. Auch die Anzahl der Eisbären hat sich hier zwischen 1987 und 2004 deutlich von 1194 auf 935, d.h. um 22 %, reduziert. Bei einem Forschreiten dieser Entwicklung wären die Bären in 20-30 Jahren nicht mehr in der Lage, Nachwuchs aufzuziehen, da bei ca. 190 kg die Untergrenze für eine erfolgreiche Reproduktion liegt.[3] Heute existieren etwa 20000-25000 Eisbären. Sollte das Schmelzen des arktischen Meereises sich so stark wie beobachtet fortsetzen, werden Eisbären und andere vom Eis abhängige Arten in wenigen Jahrzehnten vom Aussterben bedroht sein.[4] Eine andere Gefahr droht von frühen und starken Regenfällen, die die Höhlen junger Eisbärfamilien zerstören.

Die arktischen Regionen haben seit den 1960er Jahren in Übereinstimmung mit den Simulationen der Klimamodelle eine deutliche Erwärmung erfahren, in einigen Regionen und vor allem im Frühjahr sogar um 0,5 °C pro Jahrzehnt. Vor allem im Frühling und Sommer hat folglich die Ausdehnung der Schneedecke seit 1966 um 10 % abgenommen, auch die Mächtigkeit der Schneebedeckung ist in den meisten Regionen geringer geworden.[5] Auch die Meereisausdehnung ist in der Arktik seit Ende der 1970er Jahre im Gegensatz zur Antarktis um 2,9 % pro Jahrzehnt zurückgegangen.[6] Auf den Landgebieten in den höheren Breiten der Nordhalbkugel werden durch die höhere Temperatur besonders die Permafrostböden angegriffen. Im westlichen Nordamerika haben sich die Permafrostböden zwischen 1940 und 1980 um 2-4 °C erwärmt und in Sibirien um 0,6 bis 0,7 °C von 1970 bis 1990.[7] Da 20-30 % des Permafrostbodens aus Eis besteht, kann ein Schmelzen des Eises dazu führen, dass sich Hohlräume bilden (Thermokarst), der Boden einsinkt und an der Oberfläche Senken entstehen, aus denen später Seen, Torfmoore oder Wiesen entstehen können. An Hängen wird der Boden instabil und es kommt zu Bodenfließen (Solifluktion), das große Gefahren für Transportwege, Pipelines, Versorgungsleitungen, Bergwerke usw. zur Folge hat. Außerdem ändern sich die hydrologischen Bedingungen. Regenwasser kann tiefer versickern und Grundwasserflüsse bilden, die den Abfluss in die Flüsse verzögern.[8]

Arktische Ökosysteme als Kohlenstoff-Quelle

Auf die arktischen und borealen Klimazonen entfallen 40% des globalen Kohlenstoffs, der sich in Böden befindet. Im Gegensatz zu der Netto-Akkumulation von Kohlenstoff durch die Tundra während der gesamten Nacheiszeit, lassen Messungen in Alaska vermuten, dass die Tundra von einer Kohlenstoff-Senke zu einer Netto-Quelle von Kohlenstoff im Umfang von 0,7 Gt C pro Jahr geworden ist, auch wenn die regionalen Ergebnisse nicht einheitlich sind.[9] Als Ursache wird dafür vor allem eine Verringerung der Bodenfeuchte infolge der Erwärmung angenommen. Aus Feuchtgebieten und Seen der höheren Breiten entweichen 5-10% des globalen Methan-Flusses in die Atmosphäre. Mit der Bildung von Thermokarst erhöht sich die Methan-Emission, besonders in den Sumpfgebieten Nordkanadas und Westsibiriens, dramatisch. Es handelt sich dabei um einen wichtigen positiven Feedbackfaktor der globalen Erwärmung.

Projektionen

Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird mit einer Erwärmung der arktischen Regionen um 4-10 °C gerechnet.[10] Böden an Hängen werden wahrscheinlich trockener, wenn die Auftautiefe zunimmt, in Tiefländern kann sich ausgedehnter Thermokarst bilden. Durch eine Erwärmung und Austrocknung der Böden werden sich die Zersetzungsprozesse, die Mineralisierung der Nährstoffe und die Produktivität erhöhen. Die potenzielle Baumgrenze wird sich polwärts verschieben, die tatsächliche Baumgrenze jedoch mit einer zeitlichen Verzögerung von Jahrzehnten bis Jahrhunderten folgen. Veränderungen der Artenzusammensetzung, besonders der Wechsel von Tundra zu Taiga, können sich langfristig als ein positiver klimatischer Feedbackfaktor auswirken. Die Tundra hat eine drei bis sechs Mal so hohe Albedo wie der boreale Wald. Unmittelbarer wird sich in dieser Hinsicht allerdings der Rückzug der Schneebedeckung auswirken.

Einzelnachweise

  1. Impacts of a Warming Arctic: Arctic Climate Impact Assessment
  2. Sturm M., Schimel .J, Mechaelson G.,Welker J.M., Oberbauer S.F., et al. (2005): Winter biological processes could help convert Arctic tundra to shrubland. BioScience 55,17-26
  3. Stirling, I., and Parkinson, C.L. 2006. Possible Effects of Climate Warming on Selected Populations of Polar Bears (Ursus maritimus) in the Canadian Arctic. Arctic 59: 261-275
  4. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: "Impacts, Adaptation and Vulnerability", Kap. 4, Box 3.2
  5. IPCC (2001): Climate Change 2001: The Sientific Basis. Contribution of the Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge and New York 2001, 2.2.5
  6. Serreze, M.C., J.E. Walsh, F.S. Chapin III, T. Osterkamp, M. Dyurgerov, V. Romanovsky, W.C. Oechel, J. Morison, T. Zhang, R.G. Barry (2000): Observational Evidence of Recent Change in the Northern High-Latitude Environment, Climatic Change 46, 159-207
  7. IPCC (2001): Climate Change 2001: Impacts, Adaption, and Vulnerability. Contribution of the Working Group II to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge and New York 2001, 5.9.1.1.
  8. vgl. Siegert C. und H.-W. Hubberten (1998): Klimaveränderung und ihre Folgen für den Permafrost, in: Lozán, J.L., H. Graßl und P. Hupfer: Warnsignal Klima, Hamburg, 229-233
  9. Serreze, M.C., J.E. Walsh, F.S. Chapin III, T. Osterkamp, M. Dyurgerov, V. Romanovsky, W.C. Oechel, J. Morison, T. Zhang, R.G. Barry (2000): Observational Evidence of Recent Change in the Northern High-Latitude Environment, Climatic Change 46, 159-207
  10. IPCC (2001): Climate Change 2001: Impacts, Adaption, and Vulnerability. Contribution of the Working Group II to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge and New York 2001, 5.9.2.1.

Literatur

  • J.L. Lozán u.a. (Hg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen. Hamburg 2006

Weblinks


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