ENSO

Aus Klimawandel
Version vom 19. April 2008, 18:03 Uhr von Sebastian (Diskussion | Beiträge)
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Mit einem El Niño-Ereignis verbindet man heutzutage wohl Waldbrände auf Sumatra und in Australien, Überschwemmungen in Peru oder Stürme in Kalifornien. Kaum noch Beachtung finden die schlechten Fangergebnisse der peruanischen Fischer, die im 19. Jahrhundert Anlass zu dem Namen gaben, weil das Ereignis alle paar Jahre besonders stark um die Weihnachtszeit auftrat und eine rapide Verringerung des Fischbestandes vor den Küsten von Peru zur Folge hatte. Im Rest der Welt war El Niño damals so gut wie unbekannt.

Das gegenüber dem 19. Jahrhundert stark veränderte Bild von El Niño ist das Ergebnis einer fast 100jährigen Forschung, die zeigen konnte, dass El Niño ein großräumiges Phänomen im äquatorialen Pazifik mit nahezu weltweiten Auswirkungen ist, die aber den dahinterstehenden Mechanismus trotz großer Fortschritte im Verständnis der Ursachen immer noch nicht endgültig geklärt hat. Aus heutiger Sicht ist ein El-Niño-Ereignis charakterisiert durch eine ungewöhnliche Erhöhung der Meeresoberflächentemperaturen entlang des Äquators von der peruanischen Küste bis in den zentralen Pazifik, d.h. in jenem Gebiet, in dem normalerweise eine kalte Wasserzunge liegt. Zugleich ist der Südostpassat stark abgeschwächt oder sogar durch leichte Westwinde verdrängt. Im westlichen äquatorialen Pazifik, wo normalerweise reichliche Niederschläge fallen, herrscht bei einem El Niño außergewöhnliche Trockenheit, während es an dem sonst trockenen östlichen Rand des Ozeans heftig regnen kann. Und zu einem El Niño gehört aus heutiger Sicht auch, dass er als Teil eines Zyklus verstanden wird, in dem nach einer sogenannten "normalen" oder mittleren Zwischenphase ein kaltes Ereignis folgt, das La Niña heißt und auf das nach einer weiteren Zwischenphase der nächste El Niño kommt. Die Abstände zwischen zwei El-Niño-Ereignissen sind unregelmäßig und liegen bei 3-7 Jahren. Trotz intensiver Forschung gelingt es bislang schlecht, ein solches Ereignis zuverlässig vorherzusagen.

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Abweichung der Meeresoberflächentemperatur in °C vom Mittel während des El-Niño-Ereignisses 1997/98. Die ungewöhnliche Erwärmung reicht von der Westküste Südamerikas bis zur Mitte des Pazifiks und tritt da auf, wo normalerweise auf grund des Auftriebswassers vor Peru eine Zunge kalten Wassers liegt.

El Niño, La Niña (der Zustand mit gegenteiligen Anomalien) und die sogenannten "normalen" Zwischenphasen sind Ereignisse des tropisch-pazifischen Wettergeschehens und entstehen aus der Wechselwirkung von Ozean und Atmosphäre. Grundlegend sind die Zirkulationsverhältnisse von Atmosphäre und Ozean beiderseits des Äquators. Angetrieben durch die hochstehende Sonne kommt es hier zu der sogenannten Hadley-Zirkulation, bei der am Äquator erwärmte Luftmassen aufsteigen, sich in der Höhe polwärts bewegen, über den Wendekreisen wieder absinken, zum Äquator zurückströmen, hier konvergieren und wieder aufsteigen. Aufgrund der unterschiedlichen Land-Meer-Verteilung auf der Nord- und der Südhalbkugel ist die Zirkulation nicht ganz symmetrisch, so dass die Konvergenz nicht genau am Äquator, sondern bei 8-10 °N liegt. Die durch die Erddrehung bedingte Corioliskraft lenkt die von den Wendekreisen zum Äquator strömende Luft nach Westen ab, woraus auf der Nordhalbkugel der Nordost-Passat und auf der Südhalbkugel der Südost-Passat entstehen.

Datei:ENSO-Normalzustand.gif
Die Zirkulationsverhältnisse bei "normaler" und El-Niño-Wetterlage. Bei "normaler" Wetterlage liegt der aufsteigende Ast der Walker-Zelle über dem Westpazifik und sorgt hier für reichlich Niederschläge, bei El-Niño-Wetterlage liegt er über dem Ostpazifik.

Während eines El-Niños ändern sich die Zirkulationsverhältnisse im äquatorialen Pazifik grundlegend. Der Luftdruckgegensatz zwischen dem Tief über Indonesien und dem Hoch im südöstlichen Pazifik schwächt sich ab bzw. kann sich sogar umkehren. Infolgedessen flauen die Passatwinde ab oder verschwinden völlig und werden durch Westwinde ersetzt. Die Abschwächung der Passatwinde setzt eine positive Rückkopplung in Gang. Durch den verringerten Windschub wird weniger Oberflächenwasser aus dem Ostpazifik nach Westen gedrückt und der Auftrieb des kalten, nährstoffreichen Wassers vor der peruanischen Küste reduziert. Die Folge ist eine Erwärmung der Kaltwasserzunge, die normalerweise von der südamerikanischen Westküste weit nach Westen reicht, um über 5o C, wodurch der Temperaturgegensatz zwischen West- und Ostpazifik deutlich verringert wird und die Passate sich noch weiter abschwächen bzw. ganz aufhören zu wehen. Durch die Erwärmung hebt sich der Meeresspiegel im östlichen Pazifik um 20 cm an, und die Thermokline senkt sich um 50 m ab. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung kommt es zu einer Umkehr der Walker-Zirkulation. Durch die Erwärmung der Meeresoberflächentemperatur über dem Ostpazifik steigt feuchte Luft auf und bewirkt hier und über der südamerikanischen Küstenregion starke Niederschläge. Über dem Westpazifik, Australien und Indonesien dagegen bilden sich absinkende Luftmassen, die zu starker Trockenheit und Dürren führen.

Nach einer Übergangsphase folgt auf ein El-Niño-Ereignis gewöhnlich eine La Niña. Dieses kalte Ereignis ist im wesentlichen durch eine Verstärkung des "normalen" Zustands charakterisiert. Der Luftdruckgegensatz und der Gradient der Meeresoberflächentemperatur zwischen Öst- und Westpazifik verstärken sich. Das treibt die Passatwinde an, wodurch wiederum eine positive Rückkopplung in Gang gesetzt wird, mit weiter absinkender Meeresoberflächentemperatur vor der Ostküste Südamerikas, noch stärkeren Passatwinden usw.

Die grundlegenden Vorgänge von El-Niño- und La-Niña-Ereignissen sind heute bekannt. Vor allem gilt als gesichert, dass der zugrundeliegende Mechanismus durch Wechselwirkungen im tropischen Ozean-Atmosphäre-System bestimmt wird. Noch nicht endgültig geklärt sind allerdings die Ursachen dieser Wechselwirkungen, vor allem nicht der Phasenumschwung zu einem neuen El-Niño-Ereignis. Während über frühere große El-Niño-Ereignisse nur ungenügende Beobachtungsdaten vorliegen, die letztlich auch für die Validierung von Modellrechnungen, die ansonsten einen bedeutenden Beitrag für die Erforschung von El-Niño geleistet haben, entscheidend sind, ließ sich der "Jahrhundert"-El-Niño von 1997/98 zum ersten Mal mit einem weitgespannten Beobachtungsnetz erfassen. Aus diesen Beobachtungen ließen sich weitere wichtige Erkenntnisse ableiten.