Folgen des Meeresspiegelanstiegs

Aus Klimawandel

Nicht nur der bloße Anstieg des Meeresspiegels stellt für die tiefer liegenden Küstenzonen eine Gefahr dar. Wichtig sind auch die mit dem Anstieg unmittelbar verbundenen Folgen. Dazu gehören die Erosion von Küstengebieten, ein höheres Auflaufen von Sturmfluten und die Versalzung von Grundwasser durch das Eindringen von Meerwasser. Die Gefährdung hängt dabei nicht zuletzt von den Küstenformen ab. Steile Felsküsten sind durch Erosion weniger gefährdet als Sandküsten oder Deltas. Gerade aber flache Küsten und insbesondere Deltas sind bevorzugte Siedlungsgebiete.

Die Verteilung der globalen Landfläche (ohne Antarktis) und der Bevölkerung im Jahre 1995 in Abhängigkeit von der Höhe über der mittleren Hochwasserlinie.

Von einem künftigen Meeresspiegelanstieg werden vor allem niedrig liegende Küstenregionen betroffen sein. Global liegen etwa 2 Millionen km2 Land weniger als 2 m über der mittleren Hochwasserlinie. Gerade diese Grenzzone zwischen Land und Meer ist durch besonders artenreiche Ökosysteme ausgezeichnet, und hier hat sich auch der Mensch bevorzugt angesiedelt. 1995 lebten ca. 60 Millionen Menschen auf Landflächen, die weniger als 1 m über dem Meeresspiegel lagen, und 275 Millionen in weniger als 5 m. Acht der zehn größten Städte der Welt liegen gegenwärtig in niedrigen Küstenbereichen, in denen zugleich die Wachstumsrate der Bevölkerung doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt ist. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts werden daher wahrscheinlich 130 Millionen Menschen in den tiefen Küstenbereichen bis zu 1 m und 410 Millionen bis 5 m über dem Meer leben.[1]

Deltas

Als besonders gefährdete Gebiete durch einen Meeresspiegelanstieg gelten die großen und dicht besiedelten Deltagebiet der Erde wie etwa das Mississippi-Delta, das Po-Delta, das Nil-Delta, das Ganges-Brahmaputra-Delta usw. An vielen Deltaküsten ist der Meeresspiegel auch ohne den Einfluss des Klimas seit etlichen Jahrzehnten durch direkte menschliche Aktivitäten bereits deutlich angestiegen. So hat der Bau von großen Staudämmen im Landesinnern, wie das Beispiel des Assuan-Damms am Nil zeigt, dazu geführt, dass die Ablagerung von Sedimenten im Delta deutlich abgenommen hat. Weltweit halten etwa 45 000 Staubecken 25-30% der Sedimentfracht der Flüsse, die normalerweise in den flachen Deltagebieten abgelagert würden, zurück. Am Gelben Fluss (Hwangho) wurde sogar eine Abnahme der Sedimentation seit den 1950er Jahren um 90% festgestellt. Da Deltas von Natur aus Absinkgebiete sind, falls es keinen Ausgleich durch ständige Sedimentation der Flüsse gibt, kommt es zu einem relativen Anstieg des Meeresspiegels. Dieser wird vielfach noch dadurch beschleunigt, dass in den dicht besiedelten Deltas die Entnahme von Grundwasser, aber auch die Errichtung von Bauten der immer mehr ausufernden Städte die Oberfläche zusätzlich absinken lassen. Gegenwärtig verursachen diese Prozesse je nach Delta eine Anstiegsrate des Meeresspiegels von 0,5 bis 12,5 cm pro Jahrzehnt und sind deutlich wichtiger als der klimabedingte Meeresspiegelanstieg, der verstärkend hinzukommt.[2] Die Folgen sind eine größere Exponiertheit der Deltaküsten gegenüber Erosion und Sturmfluten durch den globalen Anstieg des Meeres sowie eine verstärkte Versalzung der Oberflächengewässer und Grundwasserspeicher mit weit reichenden Folgen für die Landwirtschaft und die Wasserversorgung.

Sandküsten

Nicht weniger gefährdet durch Meeresspiegelanstieg und Erosion sind Sandküsten, die nicht selten auch die Außenfront von Deltas bilden. Sandstrände und andere sandige Küstenformen machen etwa 20% der globalen Küstenlinie aus. Der Rückzug der Strandlinie kann auch bei einem geringen Meeresspiegelanstieg beträchtlich sein, da Strandoberflächen oft nur in einem sehr flachen Winkel ansteigen. Nach der so genannten Brun'schen Regel sind die Erosionsraten ungefähr 50 bis 100 mal höher als die Anstiegsraten des Meeresspiegels, d.h. ein Meeresspiegelanstieg von 1 m würde den Verlust eines 50-100 m breiten Küstenstreifens zur Folge haben. Schon gegenwärtig befinden sich laut groben Schätzungen 70% der weltweiten Sandstrände durch Erosion auf dem Rückzug. Als Hauptursache kommt dafür der weltweite Meeresspiegelanstieg der letzten Jahrzehnte in Frage.[3] Singulär auftretende Stürme spielen offenbar nur eine untergeordnete Rolle, da sich nach bisherigen Beobachtungen die durch Stürme zerstörten Küstenlinien nach einer gewissen Zeit durch Strömungen und Ablagerungen immer wieder auf den alten Zustand einpendeln.

Küstennahe Feuchtgebiete

Eine weitere Küstenform, die von einem Meeresspiegelanstieg stark betroffen ist, sind küstennahe Feuchtgebiete. Die wichtigsten im Küstenbereich liegenden Feuchtgebiete sind Salzmarschen, Watten und Mangroven. Küstennahe Feuchtgebiete sind jedoch keine passiven Elemente der Landschaft und können durch Sedimentation oder Pflanzenwachstum mit einem langsamen Anstieg des Meeresspiegels vertikal mitwachsen. Der seewärtige Verlust von Feuchtgebieten kann außerdem durch eine Wanderung landeinwärts wettgemacht werden, falls die angrenzenden Gebiete tief liegen und nicht durch menschliche Schutzmaßnahmen abgesperrt sind. Mit der Zunahme der Bevölkerung in Küstenzonen, die an Feuchtgebiete angrenzen, verhindern allerdings immer mehr Dämme und Schutzanlagen die landwärtige Migration von Feuchtgebieten. Ohnehin werden Feuchtgebiete durch menschliche Aktivitäten zunehmend dezimiert.

Zu den besonders bedrohten Feuchtgebieten gehören die Mangrovenwälder, die gegenwärtig etwa 8% bzw. 181 000 km2 der weltweiten Küstenlinien einnehmen. Mangrovenwälder kommen in tropischen und subtropischen Deltagebieten, Ästuaren, Lagunen und anderen Küsten im Gezeitenbereich vor. Sie sind nicht nur wertvolle Ökosysteme mit zahlreichen Fich- und Vogelarten, sondern schützen auch die Küstenlinie vor Erosion durch Wellen und Sturmfluten. An vielen Küsten sind Mangrovenwälder schon heute durch menschliche Aktivitäten, z.B. durch Holzgewinnung, die Anlage von Aquakulturen sowie Reis- und Kokosplantagen stark dezimiert. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels könnten die küstennahen Mangrovenwälder landeinwärts gedrängt werden. Die intensive Nutzung der anschließenden Landzonen durch den Menschen, z.B. durch Landwirtschaft und Küstenschutzanlagen, wird die Migration der Mangroven aber in vielen Fällen verhindern. Die Folge ist ein verminderter Schutz der Küsten gegen Erosion und der Verlust an wertvollen Lebensräumen. Bei günstigen geomorphologischen Verhältnissen könnten manche Mangrovensysteme aber auch mit dem Meeresspiegelanstieg mithalten: Ein steigender Meeresspiegel kann durch höhere Sedimentablagerung zwischen den Mangrovenwurzeln z.T. ausgeglichen werden. Dies geschieht dadurch, dass die bei Flut hereingespülten Sedimente bei Ebbe von den dichten Wurzeln der Mangroven teilweise zurückgehalten werden.[4]

Korallenriffe

Durch den Meeresspiegelanstieg gefährdet ist auch ein anderer sehr wirksamer natürlicher Küstenschutz, nämlich die ebenfalls in den Tropen verbreiteten Korallenriffe. Korallenriffe gelten heute neben dem tropischen Regenwald als artenreichster Lebensraum der Erde, der nach Schätzungen zwischen 0,5 und 2 Mio. Arten beherbergt. Der Fischreichtum in Korallenriffen ist eine bedeutende Quelle für die Ernährung vieler Küstengemeinden. Korallenriffe liefern Baustoffe und ziehen den Tourismus an. Riffbarrieren wirken als Wellenbrecher und schützen tropische Küsten vor Erosion. Die räumliche Ausdehnung der weltweiten Korallenriffe wird auf 255 000 km2 geschätzt. Etwa 50% der Korallenriffe, in einigen Gebieten Südostasiens sogar über 80%, sind durch menschliche Aktivitäten wie industrielle Entwicklung, Umweltverschmutzung, Tourismus und Verstädterung, Überfischung und Korallenabbau stark gefährdet. Die fortschreitende Erwärmung und Versauerung der Ozeane gefährdet die Korallen zusätzlich. Eine schwerwiegende Folge ist das berüchtigte Korallenbleichen, das an Riffen im Indischen Ozean, Pazifischen Ozean und in der Karibik beobachtet wurde. Auch der Meeresspiegelanstieg bedeutet eine Gefahr für die Korallen. Zwar könnten gesunde Korallenriffe mit einem Meeresspiegelanstieg von 10mm pro Jahr mithalten, wie das vertikale Wachstum in der Nacheiszeit gezeigt hat. Ob das auch für die heutigen unter vielfachem Stress stehenden Koralleriffe gilt, ist jedoch sehr fraglich.[5]

Einzelnachweise

  1. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download
  2. Ericson, J.P., C. J. Vörösmarty, S.L. Dingman, L.G. Ward, M. Meybeck (2006): Effective sea-level rise and deltas: Causes of change and human dimension implications, Global and Planetary Change 50, 63-82
  3. Zhang, K., B.C. Douglas, and S.P. Leatherman (2004): 'Global Warming and Coastal Erosion', Climatic Change 64, 41-58
  4. G. Krause (2011): Gefährdung der Mangrovenwälder durch Klimawandel in: J. Lozan: Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken
  5. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 33; auch als Download

Regionale Folgen

Literatur

Unterricht


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