Methan: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:CH4_640000.jpg|thumb|500px|Abb. 1:Änderungen der atmosphärischen Methan-Konzentration in den letzten 640 000 Jahren sowie Schwankungen von Deuterium als Proxy (Stellvertreterdaten) für Temperatur im arktischen Eis.]]
[[Bild:CH4_640000.jpg|thumb|500px|Abb. 1:Änderungen der atmosphärischen Methan-Konzentration in den letzten 640 000 Jahren sowie Schwankungen von Deuterium als Proxy (Stellvertreterdaten) für Temperatur im arktischen Eis.]]
Methan gehört mit [[Kohlendioxid]], [[Lachgas]] und [[FCKW]] zu den langlebigen [[Treibhausgase]]n und beeinflusst den [[Strahlungshaushalt der Atmosphäre]] und damit den anthropogenen (menschngemachten) [[Treibhauseffekt]].
Methan gehört mit [[Kohlendioxid]], [[Lachgas]] und [[FCKW]] zu den langlebigen [[Treibhausgase]]n und beeinflusst den [[Strahlungshaushalt der Atmosphäre]] und damit den anthropogenen (menschengemachten) [[Treibhauseffekt]].
 
==Atmosphärische Konzentrationsänderungen==
==Atmosphärische Konzentrationsänderungen==
[[Bild:Ch4 trend 1983-2022.png|thumb|500px|Abb. 2: Globale monatliche Methan-Konzentration 1983-2022 ]]
[[Bild:CH4 annual increase.png|thumb|500px|Abb. 3: Jährliche Wachstumsrate der Methankonzentration 1984-2022]]
Nach Kohlendioxid ist Methan das zweitwichtigste anthropogene [[Treibhausgase|Treibhausgas]], mit einem [[Strahlungsantrieb]] von 0,56 W/m<sup>2</sup> gegenüber 2,25 W/m<sup>2</sup> durch CO<sub>2</sub>.<ref name="Forster 2023">Forster, P. M., C.J. Smith, T. Walsh et al. (2023): [https://essd.copernicus.org/articles/15/2295/2023/ Indicators of Global Climate Change 2022: Annual update of large-scale indicators of the state of the climate system and the human influence], Earth System Science Data, doi.org/10.5194/essd-2023-166</ref> Während des Eiszeitalters lag die Methankonzentration der [[Atmosphäre]] zwischen ca. 400 ppb während der [[Eiszeitalter|Kaltzeiten]] und 700 ppb während der Warmzeiten (Abb. 1). Sie hat sich seit der vorindustriellen Zeit von ca. 800 ppb<ref name="IPCC 2021 2.2.3">IPCC (2021): Climate Change 2021, Working Group I: The Science of Climate Change, 2.2.3</ref> auf ca. 1920 ppb im Jahre 2022 deutlich mehr als verdoppelt (Abb. 2).<ref>World Meteorological Organization (2023): [https://library.wmo.int/records/item/68532-no-19-15-november-2023 WMO Global Greenhouse Gas Bulletin No. 19]</ref> Der aktuelle Wert ist in den letzten 800 000 Jahren beispiellos. Während frühere Daten aus in Eis oder Firn eingeschlossenen Luftbläschen stammen, wird die Methankonzentration seit ca. 1980 Jahren direkt in der Atmosphäre und global repräsentativ gemessen. In dieser Zeit ist die Methankonzentration noch einmal deutlich angestiegen, allerdings mit Schwankungen in unterschiedlichen Phasen (Abb. 3). Die Wachstumsrate der Methanzunahmen ist seit den 1980er Jahren zunächst von 15 ppb/Jahr bis in die frühen 2000er Jahre auf nahezu Null zurückgegangen. Die hohen Wachstumsraten der 1980er Jahre werden auf die Grüne Revolution in der Landwirtschaft und eine starke Industrialisierung in zahlreichen Ländern zurückgeführt. Ursachen für den anschließenden Rückgang werden in der Abnahme von Emissionen in der Gas- und Ölförderung sowie in der Temperaturabnahme durch den Ausbruch des Mt. Pinatubo gesehen. Bei dem [[Vulkanismus|Vulkanausbruch]] sind große Mengen an [[Aerosole|Aerosolen]] und Schwefeldioxid in die untere Stratosphäre geschleudert worden, die die Erde abgekühlt und die Emissionen von Methan aus Feuchtgebieten reduziert haben könnten.<ref name="IPCC 2021 Cross-Chapter Box 5.2">IPCC AR6 WGI (2021): Global Carbon and other Biogeochemical Cycles and Feedbacks, Cross-Chapter Box 5.2</ref> 


Nach Kohlendioxid ist Methan das zweitwichtigste anthropogene [[Treibhausgase|Treibhausgas]], mit einem [[Strahlungsantrieb]] von 0,48 W/m<sup>2</sup> gegenüber 1,66 bei CO<sub>2</sub>. Während der letzten 650 000 Jahre lag die Methankonzentration der [[Atmosphäre]] zwischen 400 ppb während der [[Eiszeitalter|Kaltzeiten]] und 700 ppb während der Warmzeiten. Sie hat sich seit 1750 von ca. 700 ppb auf ca. 1800 ppb im Jahre 2009 mehr als verdoppelt. Der aktuelle Wert ist in den letzten 650 000 Jahren beispiellos (s. Abb. 1). Während frühere Daten aus in Eis oder Firn eingeschlossenen Luftbläschen stammen, wird die Methankonzentration seit 1983 direkt in der Atmosphäre und global repräsentativ gemessen. In dieser Zeit ist die Methankonzentration noch einmal um 30% angestiegen. Die Wachstumsrate der Methanzunahmen ist allerdings von 1% oder 14 ppb pro Jahr um 1980 auf nahezu Null in der Zeit 2000-2005 zurückgegangen. Dieser Rückgang ist in der Forschung bis heute nicht hinreichend verstanden. Die Hypothesen reichen von einer geringeren anthropogenen Emission bis zu Veränderungen in den Senken. Bei der wichtigsten Senke, der Reaktion mit dem Hydroxyl-Radikal OH, lassen sich allerdings keine nennenswerten Änderungen nachweisen.<ref name="AR4">IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 2.3.2 und 7.4.1</ref> Der Rückgang der anthropogenen Emission kann zum einen durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch der früheren Sowjetunion erklärt werden. Dafür spricht eine Abnahme der Methanemissionen aus fossilen Brennstoffen um 30 %. Aber auch Änderungen in den Methoden des Reisanbaus, besonders in China, bei dem neue Sorten weniger lange Bewässerungszeiten erfordern, kommen in Frage. Hinzu kommen möglicherweise längere Trockenperioden in den nördlichen Feuchtgebieten.<ref>Heimann, M. (2011): Enigma of the recent methane budget, Nature 476, 157-158</ref>  
Ab 2007 gab es eine erneute Wende in der Entwicklung der Methankonzentration (s. Abb. 2 und 3). Der Methananteil in der Atmosphäre stieg wieder an und erreichte 2022 einen Wert von über 1900 ppb.<ref name="WMO 2023">World Meteorological Organization (2023): [https://library.wmo.int/records/item/68532-no-19-15-november-2023 WMO Global Greenhouse Gas Bulletin No. 19]</ref> Die durchschnittliche Steigerungsrate lag in den 2010er Jahren bei 8 und mehr ppb/Jahr<ref name="IPCC 2021 Cross-Chapter Box 5.2" /> und erreichte 2021 den bisher höchsten Wert von 18 ppb pro Jahr.<ref name="NOAA 2019">NOAA Earth System Research Laboratory: [https://www.esrl.noaa.gov/gmd/ccgg/trends_ch4/ Trends in Atmospheric Methane]</ref> Manche Autoren sehen durch die jüngste Zunahme der Methanemissionen und das Tempo der Veränderung die Menschheit an der Schwelle zu einer neuen, noch wärmeren Klimaepoche als bisher.<ref name="Nisbet 2023a">Nisbet, E.G., M.R.Manning, E.J. Dlugokencky (2023): [https://doi.org/10.1029/2023GB007875 Atmospheric methane: Comparison between methane's record in 2006–2022 and during glacial terminations], Global Biogeochem. Cy., 37, e2023GB007875</ref>  Einige Wissenschaftler schlagen über das ‚gefährlich schnelle‘ Wachstum der Methankonzentration Alarm<ref name="Tollefson 2022">Tollefson, J. (2022): [https://www.nature.com/articles/d41586-022-00312-2 Csientists raise alarm over ‚dangerously fast‘ growth in atmospheric methane], Nature News</ref>  und warnen vor einer Gefährdung des Paris-Abkommens einer Begrenzung des Klimawandels im 21. Jahrhundert auf 1,5 °C über vorindustriell.<ref name="Nisbet 2023b">Nisbet, E.G. (2023): [https://doi.org/10.1038/s41558-023-01634-3 Climate feedback on methane from wetlands], Nature Climate Change</ref> Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht endgültig geklärt. Die mit dem Wachstum der Methanemissionen abnehmende <sup>13</sup>C-Isotopen-Signatur des emittierten Methans spricht für biogene bzw. mikrobielle Quellen in der Landwirtschaft, auf Mülldeponien oder durch Klima-Rückkopplungen von Feuchtgebieten, auf die sich in jüngster Zeit trotz aller Unsicherheiten der Fokus gerichtet zu haben scheint.<ref name="Zhang 2023">Zhang, Z., B. Poulter, A.F. Feldman et al. (2023): [https://doi.org/10.1038/s41558-023-01629-0 Recent intensification of wetland methane feedback.] Nat. Clim. Chang. 13, 430–433</ref> Ein Problem bei der sog. Feuchtgebiets-Hypothese<ref name="Nisbet 2023a" /> ist allerdings die schwierige Datenlage. Die Ergebnisse von Top-Down-Methoden, die auf Modellrechnungen und Satellitendaten beruhen, liegen um mehr als 50% über den Bottom-Up-Methoden der Messungen vor Ort,<ref name="UNEP 2022">United Nations Environment Programme/Climate and Clean Air Coalition (2022): [https://www.unep.org/resources/report/global-methane-assessment-2030-baseline-report Global Methane Assessment: 2030 Baseline]</ref>  und die meisten Erdsystemmodelle der jüngsten Generation enthalten keine oder nur unvollständige Methan-Klima-Feedbackprozesse der globalen Feuchtgebiete.<ref name="Zhang 2023" /><ref name="IPCC 2021 Cross-Chapter Box 5.2" />


[[Bild:CH4 1987-2012.jpg|thumb|500px|Abb. 2:Methankonzentration 1987-2012]]
Einzelne Untersuchungen der jüngsten Zeit stützen dennoch die Feuchtgebiets-Hypothese. So stammten nach Nisbet et al. (2023)<ref name="Nisbet 2023a" /> 80% der beobachteten Zunahme des Methangehalts 2010-2019 aus tropischen Emissionen, besonders aus Feuchtgebieten. Ähnliche Werte wurden auch zwischen 2020 und 2022 beobachtet. Insgesamt hat der Klimawandel zwischen 2007 und 2021 die jährlichen Emissionen aus Feuchtgebieten um 8-10 Tg/Jahr erhöht, 2020 sogar um 14-26 Tg/Jahr, und zwar größtenteils aus tropischen Feuchtgebieten. Die zunehmende Wärme und Feuchtigkeit durch den Klimawandel verstärken in den Feuchtgebieten der Tropen das Pflanzenwachstum und die mikrobielle Zersetzung. Auch in der borealen Zone und der Arktis verstärkt die Erwärmung auf diese Weise die CH<sub>4</sub>-Emissionen von Feuchtgebieten. Außerdem agiert CO<sub>2</sub> als starker Wachstumsfaktor für C3-Pflanzen und liefert damit das pflanzliche Material für eine spätere anaerobe Zersetzung. Höhere Niederschläge können ebenfalls das Pflanzenwachstum verstärken und zudem die Ausdehnung von Feuchtgebieten vergrößern.<ref name="Zhang 2023" /> Änderungen der atmosphärischen Senke von Methan durch die Reaktion mit OH scheinen kein entscheidender Antrieb für das starke Wachstum von Methan in jüngster Zeit gewesen zu sein, noch kämen verstärkte fossile Emissionen in Frage.<ref name="Nisbet 2023a" />
Auffällig an der Zuwachsrate der Methankonzentration sind die starken jährlichen Schwankungen. Für einige dieser Schwankungen in den letzten 25 Jahren sind Erklärungen versucht worden. So ist der Abfall der Zuwachsrate im Jahre 1992 mit dem Ausbruch des Mt. Pinatubo in Verbindung gebracht worden. Bei dem [[Vulkanismus|Vulkanausbruch]] sind große Mengen an [[Aerosole|Aerosolen]] und Schwefeldioxid in die untere Stratosphäre geschleudert worden, die die photochemischen Prozesse und die Entfernung von CH<sub>4</sub> durch OH negativ beeinflusst haben sollen. Möglicherweise waren auch durch die geringeren Temperaturen und Niederschläge infolge des Pinatubo-Ausbruchs die Emissionen aus Feuchtgebieten reduziert. Umgekehrt hat die deutliche Zunahme der Wachstumsrate 1998 nach Ansicht mancher Forscher mit der Erwärmung durch den [[El Niño 1997/98]] zu tun, die die Emission aus Feuchtgebieten und die Verbrennung von Biomasse in der borealen Klimazone gefördert haben könnte.<ref name="AR4"/>  


Im Jahre 2007 gab es jedoch eine deutliche Wende in der Entwicklung der Methankonzentration (s. Abb. 2). Die Konzentration stieg wieder an und hat inzwischen die 1800-ppb-Grenze überschritten. Ob sich hier bereits zusätzlich das Auftauen des [[Permafrost]]bodens in der [[Arktische Ökosysteme|Arktis]] bemerkbar macht, ist noch ungeklärt.<ref>Mascarelli, A.L. (2009): [http://www.nature.com/climate/2009/0904/pdf/climate.2009.24.pdf A sleeping giant?], Nature Reports, Climate change 3, 46-49</ref>
== Methan in der Zukunft ==
[[Bild:Methane emissions.png|thumb|500px|Abb. 4: Globale anthropogene Methanemissionen über den historischen Zeitraum und für Zukunftsprojektionen in Teragramm pro Jahr]]
Für die Zukunft knüpfen sich an die Bedeutung von Methan für den weiteren Klimawandel sowohl Hoffnungen wie starke Befürchtungen. Auf der einen Seite wird auf die kurze Verweilzeit verwiesen, die bei einer Verringerung der Emission von Methan dazu führen würde, dass auch die Konzentration in einem relativ kurzen Zeitraum zurückgehen würde. Wissenschaftler haben zudem zu einer Methan-Entnahme aus der Atmosphäre aufgerufen.<ref name="Ming 2022">Ming, T., W. Li, Q. Yuan et al. (2022): Perspectives on removal of atmospheric methane, Adv. Appl. Energy (2022), Article 100085, 10.1016/j.adapen.2022.100085</ref> Der IPCC schätzt über einen Zeitraum von 10 Jahren die Wirkung von Methan als höher ein als die des Kohlendioxids, das erst bei längeren Zeiträumen von bis zu 100 Jahren die deutlich stärkere Wirkung auf die globale Mitteltemperatur besitzt.<ref name="IPCC 2021 TS">IPCC AR6 WGI (2021): Technical Summary, Figure TS.20</ref>  Dass liegt an dem höheren Treibhauspotential pro Masseneinheit von Methan und der kürzeren Verweilzeit in der Atmosphäre. Dieselbe Masse von Methan wirkt auf die Strahlung über einen Zeitraum von 20 Jahren 82mal stärker als CO<sub>2</sub> und über 100 Jahre 30mal.<ref name="IPCC 2021 Table 7.15">IPCC AR6 WGI (2021): The Earth’s Energy Budget, Climate Feedbacks, and Climate Sensitivity, Table 7.15</ref> Allerdings ist die atmosphärische Konzentration von Methan in der Atmosphäre wesentlich geringer als die von Kohlendioxid und wird in ppb (Teile pro Milliarden Teile) statt in ppm (Teile pro Millionen Teile) wie CO<sub>2</sub> gemessen. Eine Reduzierung der Methanemissionen entsprechend dem 1,5-Grad-Szenario könnte nach Einschätzung der UNEP bis 2050 0,3 °C globale Erwärmung vermeiden. Kurzfristig sei die Vermeidung von Methan wirksamer als die Dekarbonisierung, da mit der Reduzierung von CO<sub>2</sub> auch weniger SO<sub>2</sub> emittiert wird, was bis zur Jahrhundertmitte eine leichte Erwärmung bewirken würde.<ref name="UNEP 2022" />  Außerdem würde durch weniger Methan in der Atmosphäre auch der Gehalt des gesundheitsschädlichen Treibhausgases Ozon abnehmen, da Methan zur Entstehung von troposphärischem Ozon beiträgt.<ref name="Staniaszek 2022">Staniaszek, Z., P.T. Griffiths, G.A. Folberth et al. (2022): [https://doi.org/10.1038/s41612-022-00247-5 The role of future anthropogenic methane emissions in air quality and climate]. npj Clim Atmos Sci 5, 21</ref>  Auf der COP27 in Sharm El-Sheikh haben 2022 mehr als 150 Staaten ein Methan-Abkommen unterzeichnet, das eine Reduktion der Methanemissionen um 30% zwischen 2020 und 2030 vorsieht, so dass die positiven Auswirkungen einer Methanabnahme eine gewisse Realisierungschance besitzen.<ref name="UNEP 2023">United Nations Environment Programme (2023): An Eye on Methane — The road to radical transparency: International Methane Emissions Observatory 2023. Nairobi</ref> 
 
[[Bild:Wetland CH4-emissions2100.jpg|thumb|500px|Abb. 5: Methanemissionen aus Feuchtgebieten 2000-2100 in Teragramm pro Jahr]]
Die jüngsten Beobachtungen der CH<sub>4</sub>-Konzentration haben dagegen Befürchtungen entstehen lassen, dass Methan in den nächsten Jahrzehnten weniger zur Abmilderung als zur Verschärfung des Klimawandels beitragen könnte. Kleinen et al. (2021)<ref name="Kleinen 2021">Kleinen, T., S. Gromov and B. Steil and V. Brovkin (2021): [https://dx.doi.org/10.1088/1748-9326/ac1814 Atmospheric methane underestimated in future climate projections], Environ. Res. Lett. 16 094006 DOI 10.1088/1748-9326/ac1814</ref> haben die Veränderung der CH<sub>4</sub>-Emissionen mit dem Erdsystemmodell MPI-ESM des Max-Planck-Instituts für Meteorologie für die nächsten 1000 Jahre untersucht. Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass die natürlichen Methanemissionen bei den hohen Szenarien dramatisch zunehmen werden. Schon bei dem mittleren Szenario SSP2-4.5, das ungefähr der gegenwärtigen klimatischen Entwicklung entspricht, werden die gegenwärtigen CH<sub>4</sub>-Emissionen verdoppelt, bei den hohen Szenarien wahrscheinlich verdrei- bis vervierfacht. Diese Zunahme wird nach der MPI-Studie hauptsächlich durch Emissionen aus natürlichen Feuchtgebieten angetrieben, verursacht durch eine Kombination von höheren Temperaturen und einer höheren CO<sub>2</sub>-Konzentration, die zu einer höheren Pflanzenproduktivität und Veränderungen in der Saisonalität und Verbreitung der Feuchtgebiete führen wird. Anders als die anthropogenen Emissionen werden die Emissionen aus natürlichen Feuchtgebieten über die nächsten Jahrhunderte aufgrund des Klimawandels weiter zunehmen, so dass sie irgendwann die anthropogenen Methanemissionen übertreffen werden. Eine Folge ist ein höherer Strahlungseffekt durch Methan, der sich von 0,64 W/m<sup>2</sup> zwischen vorindustriell und 2010 auf 2.37 W/m<sup>2</sup> bei dem Szenario SSP3-7.0 erhöhen wird. Zusammen mit dem Strahlungseffekt durch eine CO<sub>2</sub>-Konzentration von 1000-2000 ppm bei den hohen Szenarien SSP3-7.0 und SSP5-8.5 sind Temperaturerhöhungen um bis zu 10 °C gegenüber vorindustriell ab dem übernächsten Jahrhundert nicht ausgeschlossen. Kleinen et al. (2021) beurteilen daher die Möglichkeit sehr skeptisch, dass eine Verringerung der anthropogenen Methanemissionen kurzfristig die Klimaerwärmung reduzieren würde, ohne die CO<sub>2</sub>-Emissionen deutlich herunterzufahren.


== Quellen und Senken==
== Quellen und Senken==
[[Bild:Methan_quellen_senken.jpg|thumb|500px|Abb. 3: Natürliche (grün) und anthropogene (rot) Methanquellen und Methansenken in Teragramm pro Jahr]]
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| [[Bild:Rice paddies.jpg|thumb|200px|Abb. 6a: Nassreisanbau als Methanquelle]]||[[Bild:Ruminants methane source.jpg|thumb|200px|Abb. 6b: Rinderzucht als Methanquelle]]||[[Bild:Waste treatment.jpg|thumb|200px|Abb. 6c: Abfallbehandlung als Methanquelle]]
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|}
 
===Quellen===
===Quellen===
Methan (CH<sub>4</sub>) ist ein [[Treibhausgase|Treibhausgas]], das sowohl aus natürlichen (z.B. Sümpfen, Termiten, Wäldern) als auch [[anthropogen|anthropogenen]] Quellen (z.B. Reisfeldern, Mülldeponien oder Erdgasgewinnung und -transport) stammt. Das Gas entsteht in der Regel bei Fäulnisprozessen unter anaeroben Bedingungen (d.h. unter Luftabschluss) mit Beteiligung von Mikroorganismen.  
Methan (CH<sub>4</sub>) ist ein [[Treibhausgase|Treibhausgas]], das sowohl aus natürlichen (z.B. Sümpfen, Termiten, Wäldern) als auch [[anthropogen|anthropogenen]] Quellen (z.B. Reisfeldern, Mülldeponien oder Erdgasgewinnung und -transport) stammt. Das Gas entsteht in der Regel bei Fäulnisprozessen unter anaeroben Bedingungen (d.h. unter Luftabschluss) mit Beteiligung von Mikroorganismen.  


Über die Mengen, die von einzelnen Quellen emittiert werden, besteht große Unsicherheit. Die wichtigste natürliche Quelle sind Feuchtgebiete, aus denen 140-230 Tg <ref>1 Tg = 1 Teragramm = 1 Megatonne = 1 Million Tonnen</ref>  Methan pro Jahr entweichen, vor allem in den [[Tropen]], aus denen 70 % der Emissionen aus den globalen Feuchtgebieten stammen, und in [[Polargebiet|borealen Breiten]].<ref name="AR4"> IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 7.6</ref>  Auch Termitenhügel sind mit 20-30 Tg/Jahr eine wichtige Quelle. Andere natürliche Quellen, über deren Größenordnung Unklarheit besteht, sind Ausgasungen aus dem [[Ozean im Klimasystem|Ozean]] und aus der Erdkruste, natürliche [[Waldbrände]], wilde Tiere und Methanhydrate an den Kontinentalrändern der Ozeane. In jüngster Zeit sind bedeutende Ausgasungen aus den oberen Schichten des küstenfernen arktischen Ozeans gemessen worden, deren Menge möglicherweise mit dem Abschmelzen des arktischen Meereises im Zusammenhang steht und damit anthropogen beeinflusst wäre.<ref>Kort, E.A., et al. (2012): Atmospheric observations of Arctic Ocean
Während der 2000er Jahre lag der Anteil der natürlichen Methanquellen an den gesamten globalen Emissionen von Methan bei 35-50 %. Über die Mengen, die von einzelnen Quellen emittiert werden, besteht große Unsicherheit. Die wichtigste natürliche Quelle sind Feuchtgebiete, aus denen 177-284 Tg <ref>1 Tg = 1 Teragramm = 1 Megatonne = 1 Million Tonnen</ref>  Methan pro Jahr entweichen.<ref name="AR5 WGI 2014"> IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 6.3.3.2</ref> Sie befinden sich vor allem in den [[Tropen]], aus denen Anfang der 2000er Jahre 70 % der Emissionen aus den globalen Feuchtgebieten stammten, und in [[Polargebiet|borealen Breiten]].<ref> IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.4.1.1</ref>  Feuchtgebiete reagieren sehr empfindlich auf Klimaänderungen, insbesondere auf höhere Niederschläge. Außerdem wurde beobachtet, dass die CH<sub>4</sub>-Emissionen aus Feuchtgebieten als Reaktion auf höhere atmosphärische CO<sub>2</sub>-Konzentration zunehmen, was offensichtlich damit zusammenhängt, dass der Wasserbedarf der Pflanzen bei höherer CO<sub>2</sub>-Konzentration sinkt und damit die Bodenfeuchte zunimmt.<ref name="AR5 WGI 2014" />  Auch Termitenhügel sind mit 20-30 Tg/Jahr eine wichtige Quelle. Andere natürliche Quellen, über deren Größenordnung Unklarheit besteht, sind Ausgasungen aus dem [[Ozean im Klimasystem|Ozean]] und aus der Erdkruste, natürliche [[Waldbrände]], wilde Tiere und Methanhydrate an den Kontinentalrändern der Ozeane. In jüngster Zeit sind bedeutende Ausgasungen aus den oberen Schichten des küstenfernen arktischen Ozeans gemessen worden, deren Menge möglicherweise mit dem Abschmelzen des arktischen Meereises im Zusammenhang steht und damit anthropogen beeinflusst wäre.<ref>Kort, E.A., et al. (2012): Atmospheric observations of Arctic Ocean methane emissions up to 82° north, Nature Geoscience 5, 318-321</ref>   
methane emissions up to 82° north, Nature Geoscience 5, 318-321</ref>  Seit einigen Jahren werden auch [[Wälder im Klimawandel|Wälder]] als wichtige natürliche Quelle diskutiert, von denen unter aeroben Bedingungen ohne Beteiligung von Mikroorganismen und unter UV-Einfluss Methan direkt in die Atmosphäre emittiert wird. Die Menge der Emissionen wird vom Weltklimarat [[IPCC]] mit 10-60 Tg/Jahr angegeben.<ref>IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.4.1.1</ref>  Andere Quellen schätzen die jährlichen Emissionen auf 50-100 Tg.<ref>Bowling, D.R., et al. (2009): [http://www.biogeosciences-discuss.net/6/4765/2009/bgd-6-4765-2009-print.pdf Soil and plant contributions to the methane flux balance of a subalpine forest under high ultraviolet irradiance], Biogeosciences Discussions 6, 4765-4801</ref> 
 
Etwa 60 % der gegenwärtigen Methan-Emissionen von jährlich  fast 600 Tg stammen aus anthropogenen Quellen. Die wichtigste anthropogene Quelle ist mit 80-90 Tg/Jahr die Viehzucht von Wiederkäuern, insbesondere Rindern, die bei der Verdauung Methan  produzieren. Eine weitere wichtige anthropogene Quelle ist der Nassreisanbau mit ca. 60 Tg/Jahr, auf dessen überschwemmten Feldern anaerobe Fäulnisprozesse ablaufen. Außerdem spielen der Transport von Gas und der Kohlebergbau eine bedeutende Rolle. Auch Mülldeponien und die Verbrennung von Biomasse werden als wichtige Quelle genannt.<ref>IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.4.1.1 und Table 7.6</ref>


50 bis 65 % der globalen Methan-Emissionen der 2000er Jahre stammen aus anthropogenen Quellen.<ref name="AR5 WGI 2014" /> Die wichtigste anthropogene Quelle ist mit 87-94 Tg/Jahr die Viehzucht von Wiederkäuern, insbesondere Rindern, die bei der Verdauung Methan  produzieren (Abb. 6b). Indien, China, Brasilien und die USA tragen hierzu am meisten bei. Allein aus Indien, dem Land mit der höchsten Rinderpopulation der Welt, stammten im Jahr 2003 11,8 Tg/Jahr. Eine weitere wichtige anthropogene Quelle ist der Nassreisanbau mit 33-40 Tg/Jahr, auf dessen überschwemmten Feldern anaerobe Fäulnisprozesse ablaufen (Abb. 6a). 90 % dieser Emissionen stammen aus dem tropischen Asien, vor allem aus China und Indien. Außerdem spielen die Gewinnung und der Transport von Gas mit 85-105 Tg/Jahr  und der Kohlebergbau eine bedeutende Rolle. Auch die Abfallwirtschaft mit Mülldeponien und der Verbrennung von Biomasse werden als wichtige Quelle genannt (Abb. 6c).<ref name="AR5 WGI 2014" />
[[Bild:Methanbudget.png|thumb|640px|Abb. 7: Globales Methanbudget für 2008–2017]]
=== Senken ===
=== Senken ===
[[Bild:OH_1978_2004.jpg|thumb|500px|Abb. 4: Mittlere globale OH-Konzentration 1979-2004]]
In der Atmosphäre hat Methan eine verhältnismäßig kurze Verweilzeit von 9 Jahren.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 6.3.3.3</ref>  Die wichtigste Senke ist die chemische Reaktion mit dem Hydroxyl-Radikal OH in der Troposphäre:
In der Atmosphäre hat Methan eine verhältnismäßig kurze Verweilzeit von 12 Jahren.<ref>IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 2.14</ref>  Die wichtigste Senke ist die chemische Reaktion mit dem Hydroxyl-Radikal OH in der Troposphäre:


::OH + CH<sub>4</sub> -> CH<sub>3</sub> + H<sub>2</sub>O
:OH + CH<sub>4</sub> -> CH<sub>3</sub> + H<sub>2</sub>O


Durch diesen Prozess werden pro Jahr 511 Tg Methan aus der Atmosphäre entfernt. Außerdem wird ein geringer Teil vom Boden aufgenommen (30 Tg/Jahr) und in der [[Stratosphäre]] durch Reaktion mit OH, Cl und O umgewandelt (40 Tg/Jahr).<ref>Daten nach IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 7.6</ref> Das Hydroxyl-Radikal (OH), das nicht nur Methan, sondern auch andere klimatisch und toxisch wichtige Spurenstoffe wie Stickoxide und Kohlenmonoxid kontrolliert, entsteht hauptsächlich durch die photolytische Spaltung von Ozon (O<sub>3</sub> + hv -> O + O<sub>2</sub>). Elektronisch angeregte O-Atome reagieren anschließend mit Wasserdampf zu Hydroxyl-Radikalen:
Durch diesen Prozess werden pro Jahr 511 Tg Methan aus der Atmosphäre entfernt. Außerdem wird ein geringer Teil vom Boden aufgenommen (30 Tg/Jahr) und in der [[Stratosphäre]] durch Reaktion mit OH, Cl und O umgewandelt (40 Tg/Jahr).<ref>Daten nach IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 7.6</ref> Das Hydroxyl-Radikal (OH), das nicht nur Methan, sondern auch andere klimatisch und toxisch wichtige Spurenstoffe wie Stickoxide und Kohlenmonoxid kontrolliert, entsteht hauptsächlich durch die photolytische Spaltung von Ozon (O<sub>3</sub> + hv -> O + O<sub>2</sub>). Elektronisch angeregte O-Atome reagieren anschließend mit Wasserdampf zu Hydroxyl-Radikalen:
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== Auswirkungen klimatischer Änderungen ==
== Auswirkungen klimatischer Änderungen ==
[[Bild:CH4_emissions1985-2003.jpg|thumb|500px|Abb. 5: Änderungen der Methanemissionen gegenüber dem Mittel der gesamten Periode aus verschiedenen Quellen]]
Wie geologische Daten zeigen,  werden Methanquellen und –senken auch durch klimatische Parameter wie Temperatur und Feuchtigkeit beeinflusst. Das ist vor allem für die Übergangsphasen zwischen Warm– und Kaltzeiten während des [[Eiszeitalter]]s nachgewiesen. Beim Methan sind es vor allem die Feuchtgebiete, deren Methanemissionen durch klimatische Faktoren variiert werden, aber auch z.B. Reisfelder und die Verbrennung von Biomasse. Letztere prägt, wie oben gezeigt, auch die OH-Konzentration, die wichtigste Senke von Methan. Methan ist daher nicht nur ein wichtiges Treibhaugas, sondern wird selbst wiederum durch Klimaänderungen beeinflusst.
Wie geologische Daten zeigen,  werden Methanquellen und –senken auch durch klimatische Parameter wie Temperatur und Feuchtigkeit beeinflusst. Das ist vor allem für die Übergangsphasen zwischen Warm– und Kaltzeiten während des [[Eiszeitalter]]s nachgewiesen. Beim Methan sind es vor allem die Feuchtgebiete, deren Methanemissionen durch klimatische Faktoren variiert werden, aber auch z.B. Reisfelder und die Verbrennung von Biomasse. Letztere prägt, wie oben gezeigt, auch die OH-Konzentration, die wichtigste Senke von Methan. Methan ist daher nicht nur ein wichtiges Treibhaugas, sondern wird selbst wiederum durch Klimaänderungen beeinflusst.


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So ist zwar die Abnahme der Wachstumsrate der Methankonzentration in den 1990er Jahren in erster Linie auf die abnehmende anthropogene Emission durch den Zusammenbruch der Industrien im früheren Ostblock zurückzuführen. Singulär spielte aber auch die vorübergehende Abkühlung durch den Mt.-Pinatubo-Ausbruch 1991 eine Rolle. Geringere Temperaturen und geringere Niederschläge als Folge des Vulkanausbruchs haben die Methanemissionen in den Feuchtgebieten wahrscheinlich unterdrückt.<ref>IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 2.3.2</ref>  Auch seit 1999 nahmen die Methanemissionen vor allem in den Feuchtgebieten der Tropen Asiens und Südamerikas über mehrere Jahre lang ab. Der Grund war eine größere Trockenperiode. Diese klimabedingte Abnahme maskierte vorübergehend die steigenden industriellen Emissionen durch den Wirtschaftsboom in China und anderen Ländern.<ref>Bousquet, P. (2006): Contribution of anthropogenic and natural sources of atmospheric methane variability, Nature 443, 439-443</ref>   
So ist zwar die Abnahme der Wachstumsrate der Methankonzentration in den 1990er Jahren in erster Linie auf die abnehmende anthropogene Emission durch den Zusammenbruch der Industrien im früheren Ostblock zurückzuführen. Singulär spielte aber auch die vorübergehende Abkühlung durch den Mt.-Pinatubo-Ausbruch 1991 eine Rolle. Geringere Temperaturen und geringere Niederschläge als Folge des Vulkanausbruchs haben die Methanemissionen in den Feuchtgebieten wahrscheinlich unterdrückt.<ref>IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 2.3.2</ref>  Auch seit 1999 nahmen die Methanemissionen vor allem in den Feuchtgebieten der Tropen Asiens und Südamerikas über mehrere Jahre lang ab. Der Grund war eine größere Trockenperiode. Diese klimabedingte Abnahme maskierte vorübergehend die steigenden industriellen Emissionen durch den Wirtschaftsboom in China und anderen Ländern.<ref>Bousquet, P. (2006): Contribution of anthropogenic and natural sources of atmospheric methane variability, Nature 443, 439-443</ref>   


Für die zukünftige Entwicklung ergaben [[Klimamodelle|Modellsimulationen]] bei einer Zunahme der Temperatur um 2 °C und der Niederschläge um 10 % eine Erhöhung der Methanemissionen um 21 %. Bei einer Erwärmung um 3,4 °C (als Folge einer Verdoppelung der CO<sub>2</sub>-Konzentration der Atmosphäre) würde die Methanemission aus Feuchtgebieten nach Modellberechnungen sogar um 78 % zunehmen.<ref>IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.4.1.2</ref>   Als bedeutende Methanquelle der Zukunft wird vor allem das Auftauen von Permafrost in den hohen nördlichen Breiten eingeschätzt. Aber auch eine Erwärmung und Ausdehnung der nördlichen Feuchtgebiete wird sehr wahrscheinlich zu einer höheren Methanemission führen. Die gesamte im Permafrost der Nordhalbkugel gespeicherte Menge an Methan wird auf 7,5 bis 400 Gigatonnen Kohlenstoff (Gt C) geschätzt. Die Methanmenge in der Atmosphäre beträgt dagegen nur ca. 4 Gt C.<ref name="CCSP">U.S. Climate Change Science Program  (2008): [http://www.climatescience.gov/Library/sap/sap3-4/final-report/ Abrupt Climate Change]</ref>
Für die zukünftige Entwicklung ergaben [[Klimamodelle|Modellsimulationen]] bei einer Zunahme der Temperatur um 2 °C und der Niederschläge um 10 % eine Erhöhung der Methanemissionen um 21 %. Bei einer Erwärmung um 3,4 °C (als Folge einer Verdoppelung der CO<sub>2</sub>-Konzentration der Atmosphäre) würde die Methanemission aus Feuchtgebieten nach Modellberechnungen sogar um 78 % zunehmen.<ref>IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.4.1.2</ref> Als bedeutende Methanquelle der Zukunft wird vor allem das [[Methan im Permafrost|Auftauen von Permafrost]] in den hohen nördlichen Breiten eingeschätzt. Aber auch eine Erwärmung und Ausdehnung der nördlichen Feuchtgebiete wird sehr wahrscheinlich zu einer höheren Methanemission führen. Die gesamte im [[Permafrost|Permafrost der Nordhalbkugel]] gespeicherte Menge an Methan wird auf 7,5 bis 400 Gigatonnen Kohlenstoff (Gt C) geschätzt. Die Methanmenge in der Atmosphäre beträgt dagegen nur ca. 4 Gt C.<ref name="CCSP">U.S. Climate Change Science Program  (2008): [http://www.climatescience.gov/Library/sap/sap3-4/final-report/ Abrupt Climate Change]</ref>


===Methanhydrate===
===Methanhydrate===
[[Bild:Methanhydrat_verteilung.jpg|thumb|500px|Abb. 6: Vorkommen von Methanhydraten]]
[[Bild:Methanhydrat_verteilung.jpg|thumb|500px|Abb. 8: Vorkommen von Methanhydraten]]
Der Klimawandel könnte auch eine noch wesentlich größere Methanquelle angreifen, nämlich die Methanhydrate in Ozeansedimenten, von denen langfristig ein [[Kipppunkte im Klimasystem|Kipppunkt]] im Klimasystem drohen könnte, d.h. ein Umkippen des gegenwärtigen Klimas in einen neuen Zustand.<ref name="CCSP" /><ref name="Archer 2009">Archer, D., B. Buffett, and V. Brockin (2009): Ocean methane hydrates as a slow tipping point in the global carbon cycle, Proceedings of the National Academy of Sciences 106, 20596–20601</ref>  Bei den Methanhydraten handelt es sich um unter hohem Druck und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt entstandene Verbindungen aus Wasser und Methan, die an den Kontinentalhängen der Ozeanböden in Tiefen von ca. 400-1000 m liegen. Die gegenwärtig dort eingebundene Methanmenge ist sehr schwierig zu bestimmen und wird auf 700 bis 10 000 Gt C geschätzt.<ref name="Archer 2009" /> Auch eine relativ geringe Freisetzung hätte bei einem atmosphärischen Gehalt an Methan von etwa  4 Gt C in der Atmosphäre eine erhebliche Wirkung.  
Der Klimawandel könnte auch eine noch wesentlich größere Methanquelle angreifen, nämlich die Methanhydrate in Ozeansedimenten, von denen langfristig ein [[Kipppunkte im Klimasystem|Kipppunkt]] im Klimasystem drohen könnte, d.h. ein Umkippen des gegenwärtigen Klimas in einen neuen Zustand.<ref name="CCSP" /><ref name="Archer 2009">Archer, D., B. Buffett, and V. Brockin (2009): Ocean methane hydrates as a slow tipping point in the global carbon cycle, Proceedings of the National Academy of Sciences 106, 20596–20601</ref>  Bei den Methanhydraten handelt es sich um unter hohem Druck und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt entstandene Verbindungen aus Wasser und Methan, die an den Kontinentalhängen der Ozeanböden in Tiefen von ca. 400-1000 m liegen. Die gegenwärtig dort eingebundene Methanmenge ist sehr schwierig zu bestimmen und wird auf 700 bis 10 000 Gt C geschätzt.<ref name="Archer 2009" /> Auch eine relativ geringe Freisetzung hätte bei einem atmosphärischen Gehalt an Methan von etwa  4 Gt C in der Atmosphäre eine erhebliche Wirkung.  


Wie könnte es zu einer solchen Methanfreisetzung kommen? Eine Erwärmung des Meerwassers durch eine globale Temperaturzunahme könnte die eisartigen Methanhydrate zerfallen lassen und zur Emission von Methan führen. Methan kann sich im Wasser mit gelöstem Sauerstoff zu [[Kohlendioxid]] verbinden, das dann zusammen mit nicht reagiertem Methan in die Atmosphäre aufsteigen kann. Allerdings laufen alle Prozesse in sehr großen Zeitdimensionen ab. Die Erwärmung der Atmosphäre wird nur sehr langsam in die unteren Wasserschichten und in die Sedimente weitergegeben. Auch das dort freigesetzte Methan braucht lange, bis es die Atmosphäre erreicht. Es kann durch Meeresströmungen verfrachtet oder schon in den oberen Sedimenten durch Bakterien oxidiert werden.
Wie könnte es zu einer solchen Methanfreisetzung kommen? Eine Erwärmung des Meerwassers durch eine globale Temperaturzunahme könnte die eisartigen Methanhydrate zerfallen lassen und zur Emission von Methan führen. Methan kann sich im Wasser mit gelöstem Sauerstoff zu [[Kohlendioxid]] verbinden, das dann zusammen mit nicht reagiertem Methan in die Atmosphäre aufsteigen kann. Allerdings laufen alle Prozesse in sehr großen Zeitdimensionen ab. Die Erwärmung der Atmosphäre wird nur sehr langsam in die unteren Wasserschichten und in die Sedimente weitergegeben. Auch das dort freigesetzte Methan braucht lange, bis es die Atmosphäre erreicht. Es kann durch Meeresströmungen verfrachtet oder schon in den oberen Sedimenten durch Bakterien oxidiert werden.


[[Bild:Methan_hydrat.jpg|thumb|458px|Abb. 7: Prozesse, die zur Methanfreisetzung aus Hydraten führen können.]]
[[Bild:Methan_hydrat.jpg|thumb|458px|Abb. 9: Prozesse, die zur Methanfreisetzung aus Hydraten führen können.]]
Geologische Daten aus Eisbohrkernen sprechen allerdings dafür, dass die Möglichkeit einer größeren Methanfreisetzung aus Hydraten nicht ausgeschlossen werden kann. Bereits in früheren Epochen der Erdgeschichte, in denen es zu einer plötzlichen Erwärmung kam, entwichen aus den Hydraten größere Mengen an Methan. Zu einer gewaltigen Methanfreisetzung dieser Art soll es vor etwa 55 Millionen Jahren im Paläozän/Eozän (zu Beginn des [[Känozoikum]]s) gekommen sein.<ref>Katz, M.E., B.S. Cramer, G.S. Mountain, S. Katz, and K.G. Miller (2001): Uncorking the bottle: What triggered the Paleocene-Eocene thermal maximum methane release? Paleoceanography 16 (6), 549-562</ref>  Die Folge war ein starker Temperaturanstieg in den höheren Breiten um 5-8 °C. Als Ursache für diese Methanfreisetzung werden sowohl eine Erwärmung des Ozeans um 4-6 °C als auch tektonisch verursachte Erdrutsche an den Kontinentalhängen diskutiert. Auch in den eiszeitlichen plötzlichen Erwärmungsphasen, den so genannten [[Abrupte_Klimaänderungen#Dansgaard-Oeschger-_und_Heinrich-Ereignisse|Dansgaard-Oeschger-Zyklen]], soll es zur schnellen Freisetzung von Methan aus Gashydraten am Meeresboden gekommen sein. Auch hier spielte wohl eine Erwärmung des Meerwassers um 2-3,5 °C eine Rolle. Begünstigt wurde der Zerfall der Methanhydrate während der Kaltzeiten außerdem durch einen geringen Wasserdruck, da der [[Meeresspiegeländerungen|Meeresspiegel]] gegenüber heute um ca. 80 m niedriger war.<ref>Kennett, J.P., K.G. Cannariato, I.L. Hendy, and R.J. Behl (2000): Carbon Isotopic Evidence for Methane Hydrate Instability During Quaternary Interstadials, Science 288, 128-133</ref>  
Geologische Daten aus Eisbohrkernen sprechen allerdings dafür, dass die Möglichkeit einer größeren Methanfreisetzung aus Hydraten nicht ausgeschlossen werden kann. Bereits in früheren Epochen der Erdgeschichte, in denen es zu einer plötzlichen Erwärmung kam, entwichen aus den Hydraten größere Mengen an Methan. Zu einer gewaltigen Methanfreisetzung dieser Art soll es vor etwa 55 Millionen Jahren im Paläozän/Eozän (zu Beginn des [[Känozoikum]]s) gekommen sein.<ref>Katz, M.E., B.S. Cramer, G.S. Mountain, S. Katz, and K.G. Miller (2001): Uncorking the bottle: What triggered the Paleocene-Eocene thermal maximum methane release? Paleoceanography 16 (6), 549-562</ref>  Die Folge war ein starker Temperaturanstieg in den höheren Breiten um 5-8 °C. Als Ursache für diese Methanfreisetzung werden sowohl eine Erwärmung des Ozeans um 4-6 °C als auch tektonisch verursachte Erdrutsche an den Kontinentalhängen diskutiert. Auch in den eiszeitlichen plötzlichen Erwärmungsphasen, den so genannten [[Abrupte_Klimaänderungen#Dansgaard-Oeschger-_und_Heinrich-Ereignisse|Dansgaard-Oeschger-Zyklen]], soll es zur schnellen Freisetzung von Methan aus Gashydraten am Meeresboden gekommen sein. Auch hier spielte wohl eine Erwärmung des Meerwassers um 2-3,5 °C eine Rolle. Begünstigt wurde der Zerfall der Methanhydrate während der Kaltzeiten außerdem durch einen geringen Wasserdruck, da der [[Meeresspiegeländerungen|Meeresspiegel]] gegenüber heute um ca. 80 m niedriger war.<ref>Kennett, J.P., K.G. Cannariato, I.L. Hendy, and R.J. Behl (2000): Carbon Isotopic Evidence for Methane Hydrate Instability During Quaternary Interstadials, Science 288, 128-133</ref>  


An zwei wahrscheinlich besonders sensiblen Stellen auf der Erde sind in letzter Zeit Untersuchungen zur möglichen Methanfreisetzung vorgenommen worden, vor der Südostküste Nordamerikas und in den arktischen Schelfgebieten. Am Rande des westlichen Nordatlantiks wurde in den letzten 5000 Jahren eine Verschiebung und Erwärmung des Golfstroms nach Nordwesten festgestellt. Dadurch ist es im Ozean über dem Nordamerikanischen Kontinentalabhang zu einer Erwärmung um bis 8 °C gekommen. Diese Erwärmung treibt gegenwärtig eine Destabilisierung von 2,5 GtC Methanhydraten an. Das sind allerdings nur etwa 0,2 % dessen, was möglicherweise zu dem Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum vor 50 Mio. Jahren geführt hat, als die globale Mitteltemperatur um 5-6 °C anstieg.<ref name="Phrampus 2012">Phrampus, B.J., and M.J. Hornbach (2012) Recent changes to the Gulf Stream causing widespread gas hydrate destabilization, Nature 490, 527-531</ref>  
An zwei wahrscheinlich besonders sensiblen Stellen auf der Erde sind in letzter Zeit Untersuchungen zur möglichen Methanfreisetzung vorgenommen worden, vor der Südostküste Nordamerikas und in den arktischen Schelfgebieten. Am Rande des westlichen Nordatlantiks wurde in den letzten 5000 Jahren eine Verschiebung und Erwärmung des Golfstroms nach Nordwesten festgestellt. Dadurch ist es im Ozean über dem Nordamerikanischen Kontinentalabhang zu einer Erwärmung um bis 8 °C gekommen. Diese Erwärmung treibt gegenwärtig eine Destabilisierung von 2,5 GtC Methanhydraten an. Das sind allerdings nur etwa 0,2 % dessen, was möglicherweise zu dem Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum vor 50 Mio. Jahren geführt hat, als die globale Mitteltemperatur um 5-6 °C anstieg.<ref name="Phrampus 2012">Phrampus, B.J., and M.J. Hornbach (2012): Recent changes to the Gulf Stream causing widespread gas hydrate destabilization, Nature 490, 527-531</ref>  


In arktischen Methanhydraten wird insgesamt eine Methanmenge von 900 GtC angenommen. Die Bodenwassertemperaturen in den arktischen Schelfgebieten werden nach Modellberechnungen in den nächsten 100 Jahren um 1-2 °C steigen. Verstärkt werden könnte dieser Betrag durch einen mögliche Zustrom von warmem Wasser aus dem Atlantik. Von dem in der Arktis durch die Erwärmung in das Porenwasser der Sedimente freigesetztem Methan werden wahrscheinlich 50 % durch anaerobische mikrobielle Oxidation im Meeresboden zurückgehalten. Das in die Wassersäule freigesetzte Methan wird durch aerobe mikrobielle Oxidation in Kohlendioxid umgewandelt, mit der Folge einer beschleunigten Versauerung des Ozeanwassers. Das insgesamt durch schmelzende arktische Hydrate in die Atmosphäre gelangende Methan wird auf 162 Mio. t CH<sub>4</sub> pro Jahr geschätzt, was deutlich unter dem gegenwärtigen Eintrag durch anthropogene Aktivitäten von 600 Mio. t CH<sub>4</sub> pro Jahr liegt. Computermodellrechnungen haben ergebn, dass die Methanfreisetzung aus arktischen Hydraten in den nächsten 100 Jahren einen vernachlässigbaren Effekt auf das Klimasystem hat. Über einen längeren Zweitraum könnte die globale Erwärmung allerdings durch Methanfreisetzung aus arktischen Hydraten um 0,8 °C verstärkt werden.<ref name="Biastoch 2011">Biastoch, A., et al. (2011): Rising Arctic Ocean temperatures cause gas hydrate destabilization and ocean acidification, Geophysical Research Letters 38, doi:10.1029/2011GL047222</ref>
In arktischen Methanhydraten wird insgesamt eine Methanmenge von 900 GtC angenommen. Die Bodenwassertemperaturen in den arktischen Schelfgebieten werden nach Modellberechnungen in den nächsten 100 Jahren um 1-2 °C steigen. Verstärkt werden könnte dieser Betrag durch einen mögliche Zustrom von warmem Wasser aus dem Atlantik. Von dem in der Arktis durch die Erwärmung in das Porenwasser der Sedimente freigesetztem Methan werden wahrscheinlich 50 % durch anaerobische mikrobielle Oxidation im Meeresboden zurückgehalten. Das in die Wassersäule freigesetzte Methan wird durch aerobe mikrobielle Oxidation in Kohlendioxid umgewandelt, mit der Folge einer beschleunigten Versauerung des Ozeanwassers. Das insgesamt durch schmelzende arktische Hydrate in die Atmosphäre gelangende Methan wird auf 162 Mio. t CH<sub>4</sub> pro Jahr geschätzt, was deutlich unter dem gegenwärtigen Eintrag durch anthropogene Aktivitäten von 600 Mio. t CH<sub>4</sub> pro Jahr liegt. Computermodellrechnungen haben ergebn, dass die Methanfreisetzung aus arktischen Hydraten in den nächsten 100 Jahren einen vernachlässigbaren Effekt auf das Klimasystem hat. Über einen längeren Zweitraum könnte die globale Erwärmung allerdings durch Methanfreisetzung aus arktischen Hydraten um 0,8 °C verstärkt werden.<ref name="Biastoch 2011">Biastoch, A., et al. (2011): Rising Arctic Ocean temperatures cause gas hydrate destabilization and ocean acidification, Geophysical Research Letters 38, doi:10.1029/2011GL047222</ref>
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.umweltbundesamt.de/klimaschutz/veroeffentlichungen/permafrost.pdf Klimagefahr durch tauenden Permafrost?] Info-Broschüre des Umweltbundesamtes
* [https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/357/dokumente/klimagefahr_durch_tauenden_permafrost.pdf Klimagefahr durch tauenden Permafrost?] Info-Broschüre des Umweltbundesamtes
* [http://www.max-wissen.de/Fachwissen/show/0/Heft/Reisanbau.html Schornsteine für Methan] über den Raisanbau als Quelle für Methan (MAX Wissen)
* [https://www.max-wissen.de/max-hefte/a-geomax-06-reisanbau-methan/ Schornsteine für Methan] über den Reisanbau als Quelle für Methan (MAX Wissen)
* [https://studyflix.de/chemie/methan-4881 Methan] Eigenschaften von Methan und Wirkung auf den Planeten im Erklärvideo dargestellt (Studyflix)
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Aktuelle Version vom 2. März 2024, 10:40 Uhr

Abb. 1:Änderungen der atmosphärischen Methan-Konzentration in den letzten 640 000 Jahren sowie Schwankungen von Deuterium als Proxy (Stellvertreterdaten) für Temperatur im arktischen Eis.

Methan gehört mit Kohlendioxid, Lachgas und FCKW zu den langlebigen Treibhausgasen und beeinflusst den Strahlungshaushalt der Atmosphäre und damit den anthropogenen (menschengemachten) Treibhauseffekt.

Atmosphärische Konzentrationsänderungen

Abb. 2: Globale monatliche Methan-Konzentration 1983-2022
Abb. 3: Jährliche Wachstumsrate der Methankonzentration 1984-2022

Nach Kohlendioxid ist Methan das zweitwichtigste anthropogene Treibhausgas, mit einem Strahlungsantrieb von 0,56 W/m2 gegenüber 2,25 W/m2 durch CO2.[1] Während des Eiszeitalters lag die Methankonzentration der Atmosphäre zwischen ca. 400 ppb während der Kaltzeiten und 700 ppb während der Warmzeiten (Abb. 1). Sie hat sich seit der vorindustriellen Zeit von ca. 800 ppb[2] auf ca. 1920 ppb im Jahre 2022 deutlich mehr als verdoppelt (Abb. 2).[3] Der aktuelle Wert ist in den letzten 800 000 Jahren beispiellos. Während frühere Daten aus in Eis oder Firn eingeschlossenen Luftbläschen stammen, wird die Methankonzentration seit ca. 1980 Jahren direkt in der Atmosphäre und global repräsentativ gemessen. In dieser Zeit ist die Methankonzentration noch einmal deutlich angestiegen, allerdings mit Schwankungen in unterschiedlichen Phasen (Abb. 3). Die Wachstumsrate der Methanzunahmen ist seit den 1980er Jahren zunächst von 15 ppb/Jahr bis in die frühen 2000er Jahre auf nahezu Null zurückgegangen. Die hohen Wachstumsraten der 1980er Jahre werden auf die Grüne Revolution in der Landwirtschaft und eine starke Industrialisierung in zahlreichen Ländern zurückgeführt. Ursachen für den anschließenden Rückgang werden in der Abnahme von Emissionen in der Gas- und Ölförderung sowie in der Temperaturabnahme durch den Ausbruch des Mt. Pinatubo gesehen. Bei dem Vulkanausbruch sind große Mengen an Aerosolen und Schwefeldioxid in die untere Stratosphäre geschleudert worden, die die Erde abgekühlt und die Emissionen von Methan aus Feuchtgebieten reduziert haben könnten.[4]

Ab 2007 gab es eine erneute Wende in der Entwicklung der Methankonzentration (s. Abb. 2 und 3). Der Methananteil in der Atmosphäre stieg wieder an und erreichte 2022 einen Wert von über 1900 ppb.[5] Die durchschnittliche Steigerungsrate lag in den 2010er Jahren bei 8 und mehr ppb/Jahr[4] und erreichte 2021 den bisher höchsten Wert von 18 ppb pro Jahr.[6] Manche Autoren sehen durch die jüngste Zunahme der Methanemissionen und das Tempo der Veränderung die Menschheit an der Schwelle zu einer neuen, noch wärmeren Klimaepoche als bisher.[7] Einige Wissenschaftler schlagen über das ‚gefährlich schnelle‘ Wachstum der Methankonzentration Alarm[8] und warnen vor einer Gefährdung des Paris-Abkommens einer Begrenzung des Klimawandels im 21. Jahrhundert auf 1,5 °C über vorindustriell.[9] Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht endgültig geklärt. Die mit dem Wachstum der Methanemissionen abnehmende 13C-Isotopen-Signatur des emittierten Methans spricht für biogene bzw. mikrobielle Quellen in der Landwirtschaft, auf Mülldeponien oder durch Klima-Rückkopplungen von Feuchtgebieten, auf die sich in jüngster Zeit trotz aller Unsicherheiten der Fokus gerichtet zu haben scheint.[10] Ein Problem bei der sog. Feuchtgebiets-Hypothese[7] ist allerdings die schwierige Datenlage. Die Ergebnisse von Top-Down-Methoden, die auf Modellrechnungen und Satellitendaten beruhen, liegen um mehr als 50% über den Bottom-Up-Methoden der Messungen vor Ort,[11] und die meisten Erdsystemmodelle der jüngsten Generation enthalten keine oder nur unvollständige Methan-Klima-Feedbackprozesse der globalen Feuchtgebiete.[10][4]

Einzelne Untersuchungen der jüngsten Zeit stützen dennoch die Feuchtgebiets-Hypothese. So stammten nach Nisbet et al. (2023)[7] 80% der beobachteten Zunahme des Methangehalts 2010-2019 aus tropischen Emissionen, besonders aus Feuchtgebieten. Ähnliche Werte wurden auch zwischen 2020 und 2022 beobachtet. Insgesamt hat der Klimawandel zwischen 2007 und 2021 die jährlichen Emissionen aus Feuchtgebieten um 8-10 Tg/Jahr erhöht, 2020 sogar um 14-26 Tg/Jahr, und zwar größtenteils aus tropischen Feuchtgebieten. Die zunehmende Wärme und Feuchtigkeit durch den Klimawandel verstärken in den Feuchtgebieten der Tropen das Pflanzenwachstum und die mikrobielle Zersetzung. Auch in der borealen Zone und der Arktis verstärkt die Erwärmung auf diese Weise die CH4-Emissionen von Feuchtgebieten. Außerdem agiert CO2 als starker Wachstumsfaktor für C3-Pflanzen und liefert damit das pflanzliche Material für eine spätere anaerobe Zersetzung. Höhere Niederschläge können ebenfalls das Pflanzenwachstum verstärken und zudem die Ausdehnung von Feuchtgebieten vergrößern.[10] Änderungen der atmosphärischen Senke von Methan durch die Reaktion mit OH scheinen kein entscheidender Antrieb für das starke Wachstum von Methan in jüngster Zeit gewesen zu sein, noch kämen verstärkte fossile Emissionen in Frage.[7]

Methan in der Zukunft

Abb. 4: Globale anthropogene Methanemissionen über den historischen Zeitraum und für Zukunftsprojektionen in Teragramm pro Jahr

Für die Zukunft knüpfen sich an die Bedeutung von Methan für den weiteren Klimawandel sowohl Hoffnungen wie starke Befürchtungen. Auf der einen Seite wird auf die kurze Verweilzeit verwiesen, die bei einer Verringerung der Emission von Methan dazu führen würde, dass auch die Konzentration in einem relativ kurzen Zeitraum zurückgehen würde. Wissenschaftler haben zudem zu einer Methan-Entnahme aus der Atmosphäre aufgerufen.[12] Der IPCC schätzt über einen Zeitraum von 10 Jahren die Wirkung von Methan als höher ein als die des Kohlendioxids, das erst bei längeren Zeiträumen von bis zu 100 Jahren die deutlich stärkere Wirkung auf die globale Mitteltemperatur besitzt.[13] Dass liegt an dem höheren Treibhauspotential pro Masseneinheit von Methan und der kürzeren Verweilzeit in der Atmosphäre. Dieselbe Masse von Methan wirkt auf die Strahlung über einen Zeitraum von 20 Jahren 82mal stärker als CO2 und über 100 Jahre 30mal.[14] Allerdings ist die atmosphärische Konzentration von Methan in der Atmosphäre wesentlich geringer als die von Kohlendioxid und wird in ppb (Teile pro Milliarden Teile) statt in ppm (Teile pro Millionen Teile) wie CO2 gemessen. Eine Reduzierung der Methanemissionen entsprechend dem 1,5-Grad-Szenario könnte nach Einschätzung der UNEP bis 2050 0,3 °C globale Erwärmung vermeiden. Kurzfristig sei die Vermeidung von Methan wirksamer als die Dekarbonisierung, da mit der Reduzierung von CO2 auch weniger SO2 emittiert wird, was bis zur Jahrhundertmitte eine leichte Erwärmung bewirken würde.[11] Außerdem würde durch weniger Methan in der Atmosphäre auch der Gehalt des gesundheitsschädlichen Treibhausgases Ozon abnehmen, da Methan zur Entstehung von troposphärischem Ozon beiträgt.[15] Auf der COP27 in Sharm El-Sheikh haben 2022 mehr als 150 Staaten ein Methan-Abkommen unterzeichnet, das eine Reduktion der Methanemissionen um 30% zwischen 2020 und 2030 vorsieht, so dass die positiven Auswirkungen einer Methanabnahme eine gewisse Realisierungschance besitzen.[16]

Abb. 5: Methanemissionen aus Feuchtgebieten 2000-2100 in Teragramm pro Jahr

Die jüngsten Beobachtungen der CH4-Konzentration haben dagegen Befürchtungen entstehen lassen, dass Methan in den nächsten Jahrzehnten weniger zur Abmilderung als zur Verschärfung des Klimawandels beitragen könnte. Kleinen et al. (2021)[17] haben die Veränderung der CH4-Emissionen mit dem Erdsystemmodell MPI-ESM des Max-Planck-Instituts für Meteorologie für die nächsten 1000 Jahre untersucht. Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass die natürlichen Methanemissionen bei den hohen Szenarien dramatisch zunehmen werden. Schon bei dem mittleren Szenario SSP2-4.5, das ungefähr der gegenwärtigen klimatischen Entwicklung entspricht, werden die gegenwärtigen CH4-Emissionen verdoppelt, bei den hohen Szenarien wahrscheinlich verdrei- bis vervierfacht. Diese Zunahme wird nach der MPI-Studie hauptsächlich durch Emissionen aus natürlichen Feuchtgebieten angetrieben, verursacht durch eine Kombination von höheren Temperaturen und einer höheren CO2-Konzentration, die zu einer höheren Pflanzenproduktivität und Veränderungen in der Saisonalität und Verbreitung der Feuchtgebiete führen wird. Anders als die anthropogenen Emissionen werden die Emissionen aus natürlichen Feuchtgebieten über die nächsten Jahrhunderte aufgrund des Klimawandels weiter zunehmen, so dass sie irgendwann die anthropogenen Methanemissionen übertreffen werden. Eine Folge ist ein höherer Strahlungseffekt durch Methan, der sich von 0,64 W/m2 zwischen vorindustriell und 2010 auf 2.37 W/m2 bei dem Szenario SSP3-7.0 erhöhen wird. Zusammen mit dem Strahlungseffekt durch eine CO2-Konzentration von 1000-2000 ppm bei den hohen Szenarien SSP3-7.0 und SSP5-8.5 sind Temperaturerhöhungen um bis zu 10 °C gegenüber vorindustriell ab dem übernächsten Jahrhundert nicht ausgeschlossen. Kleinen et al. (2021) beurteilen daher die Möglichkeit sehr skeptisch, dass eine Verringerung der anthropogenen Methanemissionen kurzfristig die Klimaerwärmung reduzieren würde, ohne die CO2-Emissionen deutlich herunterzufahren.

Quellen und Senken

Abb. 6a: Nassreisanbau als Methanquelle
Abb. 6b: Rinderzucht als Methanquelle
Abb. 6c: Abfallbehandlung als Methanquelle

Quellen

Methan (CH4) ist ein Treibhausgas, das sowohl aus natürlichen (z.B. Sümpfen, Termiten, Wäldern) als auch anthropogenen Quellen (z.B. Reisfeldern, Mülldeponien oder Erdgasgewinnung und -transport) stammt. Das Gas entsteht in der Regel bei Fäulnisprozessen unter anaeroben Bedingungen (d.h. unter Luftabschluss) mit Beteiligung von Mikroorganismen.

Während der 2000er Jahre lag der Anteil der natürlichen Methanquellen an den gesamten globalen Emissionen von Methan bei 35-50 %. Über die Mengen, die von einzelnen Quellen emittiert werden, besteht große Unsicherheit. Die wichtigste natürliche Quelle sind Feuchtgebiete, aus denen 177-284 Tg [18] Methan pro Jahr entweichen.[19] Sie befinden sich vor allem in den Tropen, aus denen Anfang der 2000er Jahre 70 % der Emissionen aus den globalen Feuchtgebieten stammten, und in borealen Breiten.[20] Feuchtgebiete reagieren sehr empfindlich auf Klimaänderungen, insbesondere auf höhere Niederschläge. Außerdem wurde beobachtet, dass die CH4-Emissionen aus Feuchtgebieten als Reaktion auf höhere atmosphärische CO2-Konzentration zunehmen, was offensichtlich damit zusammenhängt, dass der Wasserbedarf der Pflanzen bei höherer CO2-Konzentration sinkt und damit die Bodenfeuchte zunimmt.[19] Auch Termitenhügel sind mit 20-30 Tg/Jahr eine wichtige Quelle. Andere natürliche Quellen, über deren Größenordnung Unklarheit besteht, sind Ausgasungen aus dem Ozean und aus der Erdkruste, natürliche Waldbrände, wilde Tiere und Methanhydrate an den Kontinentalrändern der Ozeane. In jüngster Zeit sind bedeutende Ausgasungen aus den oberen Schichten des küstenfernen arktischen Ozeans gemessen worden, deren Menge möglicherweise mit dem Abschmelzen des arktischen Meereises im Zusammenhang steht und damit anthropogen beeinflusst wäre.[21]

50 bis 65 % der globalen Methan-Emissionen der 2000er Jahre stammen aus anthropogenen Quellen.[19] Die wichtigste anthropogene Quelle ist mit 87-94 Tg/Jahr die Viehzucht von Wiederkäuern, insbesondere Rindern, die bei der Verdauung Methan produzieren (Abb. 6b). Indien, China, Brasilien und die USA tragen hierzu am meisten bei. Allein aus Indien, dem Land mit der höchsten Rinderpopulation der Welt, stammten im Jahr 2003 11,8 Tg/Jahr. Eine weitere wichtige anthropogene Quelle ist der Nassreisanbau mit 33-40 Tg/Jahr, auf dessen überschwemmten Feldern anaerobe Fäulnisprozesse ablaufen (Abb. 6a). 90 % dieser Emissionen stammen aus dem tropischen Asien, vor allem aus China und Indien. Außerdem spielen die Gewinnung und der Transport von Gas mit 85-105 Tg/Jahr und der Kohlebergbau eine bedeutende Rolle. Auch die Abfallwirtschaft mit Mülldeponien und der Verbrennung von Biomasse werden als wichtige Quelle genannt (Abb. 6c).[19]

Abb. 7: Globales Methanbudget für 2008–2017

Senken

In der Atmosphäre hat Methan eine verhältnismäßig kurze Verweilzeit von 9 Jahren.[22] Die wichtigste Senke ist die chemische Reaktion mit dem Hydroxyl-Radikal OH in der Troposphäre:

OH + CH4 -> CH3 + H2O

Durch diesen Prozess werden pro Jahr 511 Tg Methan aus der Atmosphäre entfernt. Außerdem wird ein geringer Teil vom Boden aufgenommen (30 Tg/Jahr) und in der Stratosphäre durch Reaktion mit OH, Cl und O umgewandelt (40 Tg/Jahr).[23] Das Hydroxyl-Radikal (OH), das nicht nur Methan, sondern auch andere klimatisch und toxisch wichtige Spurenstoffe wie Stickoxide und Kohlenmonoxid kontrolliert, entsteht hauptsächlich durch die photolytische Spaltung von Ozon (O3 + hv -> O + O2). Elektronisch angeregte O-Atome reagieren anschließend mit Wasserdampf zu Hydroxyl-Radikalen:

O* + H2O -> 2 OH

Die im globalen Mittel wichtigsten Senken für OH sind die Reaktion mit Kohlenmonoxid (CO) und CH4. Es reagiert aber außerdem mit einer Reihe von anderen Spurengasen. Diese Reaktionen führen häufig zur Entstehung von H2O-Radikalen, durch die es über eine Reaktion mit O3 oder NO wieder zur Entstehung von OH kommt. Aufgrund dieser und anderer Reaktionen unterliegt auch die OH-Konzentration (und damit auch die Reaktion mit Methan) Schwankungen im Laufe der Zeit. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang Waldbrände, die große Mengen an Kohlenmonoxid emittieren. So sind wahrscheinlich die starken Waldbrände in Indonesien als Folge des El Niño von 1997/98 für das Minimum der globalen OH-Konzentration in den letzten Jahrzehnten verantwortlich. Nach dem Maximum um 1990 und dem Minimum um 1997/98 hat die OH-Konzentration wieder zugenommen (Abb. 4).

Auswirkungen klimatischer Änderungen

Wie geologische Daten zeigen, werden Methanquellen und –senken auch durch klimatische Parameter wie Temperatur und Feuchtigkeit beeinflusst. Das ist vor allem für die Übergangsphasen zwischen Warm– und Kaltzeiten während des Eiszeitalters nachgewiesen. Beim Methan sind es vor allem die Feuchtgebiete, deren Methanemissionen durch klimatische Faktoren variiert werden, aber auch z.B. Reisfelder und die Verbrennung von Biomasse. Letztere prägt, wie oben gezeigt, auch die OH-Konzentration, die wichtigste Senke von Methan. Methan ist daher nicht nur ein wichtiges Treibhaugas, sondern wird selbst wiederum durch Klimaänderungen beeinflusst.

Feuchtgebiete

Methanemissionen aus Feuchtgebieten werden stark durch die Temperatur und den Wasserstand beeinflusst. Höhere Temperaturen begünstigen die Zersetzungsprozesse bzw. machen sie beim Auftauen von Permafrost überhaupt erst möglich. Hohe Niederschläge und damit höhere Wasserstände fördern die anaeroben Bedingungen, unter denen es überhaupt erst zur Methanbildung kommt. Methanemissionen aus Feuchtgebieten sind die Hauptursache für die jährlichen globalen Schwankungen, aber auch von mehrjährigen Trends der Methanemissionen.

So ist zwar die Abnahme der Wachstumsrate der Methankonzentration in den 1990er Jahren in erster Linie auf die abnehmende anthropogene Emission durch den Zusammenbruch der Industrien im früheren Ostblock zurückzuführen. Singulär spielte aber auch die vorübergehende Abkühlung durch den Mt.-Pinatubo-Ausbruch 1991 eine Rolle. Geringere Temperaturen und geringere Niederschläge als Folge des Vulkanausbruchs haben die Methanemissionen in den Feuchtgebieten wahrscheinlich unterdrückt.[24] Auch seit 1999 nahmen die Methanemissionen vor allem in den Feuchtgebieten der Tropen Asiens und Südamerikas über mehrere Jahre lang ab. Der Grund war eine größere Trockenperiode. Diese klimabedingte Abnahme maskierte vorübergehend die steigenden industriellen Emissionen durch den Wirtschaftsboom in China und anderen Ländern.[25]

Für die zukünftige Entwicklung ergaben Modellsimulationen bei einer Zunahme der Temperatur um 2 °C und der Niederschläge um 10 % eine Erhöhung der Methanemissionen um 21 %. Bei einer Erwärmung um 3,4 °C (als Folge einer Verdoppelung der CO2-Konzentration der Atmosphäre) würde die Methanemission aus Feuchtgebieten nach Modellberechnungen sogar um 78 % zunehmen.[26] Als bedeutende Methanquelle der Zukunft wird vor allem das Auftauen von Permafrost in den hohen nördlichen Breiten eingeschätzt. Aber auch eine Erwärmung und Ausdehnung der nördlichen Feuchtgebiete wird sehr wahrscheinlich zu einer höheren Methanemission führen. Die gesamte im Permafrost der Nordhalbkugel gespeicherte Menge an Methan wird auf 7,5 bis 400 Gigatonnen Kohlenstoff (Gt C) geschätzt. Die Methanmenge in der Atmosphäre beträgt dagegen nur ca. 4 Gt C.[27]

Methanhydrate

Abb. 8: Vorkommen von Methanhydraten

Der Klimawandel könnte auch eine noch wesentlich größere Methanquelle angreifen, nämlich die Methanhydrate in Ozeansedimenten, von denen langfristig ein Kipppunkt im Klimasystem drohen könnte, d.h. ein Umkippen des gegenwärtigen Klimas in einen neuen Zustand.[27][28] Bei den Methanhydraten handelt es sich um unter hohem Druck und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt entstandene Verbindungen aus Wasser und Methan, die an den Kontinentalhängen der Ozeanböden in Tiefen von ca. 400-1000 m liegen. Die gegenwärtig dort eingebundene Methanmenge ist sehr schwierig zu bestimmen und wird auf 700 bis 10 000 Gt C geschätzt.[28] Auch eine relativ geringe Freisetzung hätte bei einem atmosphärischen Gehalt an Methan von etwa 4 Gt C in der Atmosphäre eine erhebliche Wirkung.

Wie könnte es zu einer solchen Methanfreisetzung kommen? Eine Erwärmung des Meerwassers durch eine globale Temperaturzunahme könnte die eisartigen Methanhydrate zerfallen lassen und zur Emission von Methan führen. Methan kann sich im Wasser mit gelöstem Sauerstoff zu Kohlendioxid verbinden, das dann zusammen mit nicht reagiertem Methan in die Atmosphäre aufsteigen kann. Allerdings laufen alle Prozesse in sehr großen Zeitdimensionen ab. Die Erwärmung der Atmosphäre wird nur sehr langsam in die unteren Wasserschichten und in die Sedimente weitergegeben. Auch das dort freigesetzte Methan braucht lange, bis es die Atmosphäre erreicht. Es kann durch Meeresströmungen verfrachtet oder schon in den oberen Sedimenten durch Bakterien oxidiert werden.

Abb. 9: Prozesse, die zur Methanfreisetzung aus Hydraten führen können.

Geologische Daten aus Eisbohrkernen sprechen allerdings dafür, dass die Möglichkeit einer größeren Methanfreisetzung aus Hydraten nicht ausgeschlossen werden kann. Bereits in früheren Epochen der Erdgeschichte, in denen es zu einer plötzlichen Erwärmung kam, entwichen aus den Hydraten größere Mengen an Methan. Zu einer gewaltigen Methanfreisetzung dieser Art soll es vor etwa 55 Millionen Jahren im Paläozän/Eozän (zu Beginn des Känozoikums) gekommen sein.[29] Die Folge war ein starker Temperaturanstieg in den höheren Breiten um 5-8 °C. Als Ursache für diese Methanfreisetzung werden sowohl eine Erwärmung des Ozeans um 4-6 °C als auch tektonisch verursachte Erdrutsche an den Kontinentalhängen diskutiert. Auch in den eiszeitlichen plötzlichen Erwärmungsphasen, den so genannten Dansgaard-Oeschger-Zyklen, soll es zur schnellen Freisetzung von Methan aus Gashydraten am Meeresboden gekommen sein. Auch hier spielte wohl eine Erwärmung des Meerwassers um 2-3,5 °C eine Rolle. Begünstigt wurde der Zerfall der Methanhydrate während der Kaltzeiten außerdem durch einen geringen Wasserdruck, da der Meeresspiegel gegenüber heute um ca. 80 m niedriger war.[30]

An zwei wahrscheinlich besonders sensiblen Stellen auf der Erde sind in letzter Zeit Untersuchungen zur möglichen Methanfreisetzung vorgenommen worden, vor der Südostküste Nordamerikas und in den arktischen Schelfgebieten. Am Rande des westlichen Nordatlantiks wurde in den letzten 5000 Jahren eine Verschiebung und Erwärmung des Golfstroms nach Nordwesten festgestellt. Dadurch ist es im Ozean über dem Nordamerikanischen Kontinentalabhang zu einer Erwärmung um bis 8 °C gekommen. Diese Erwärmung treibt gegenwärtig eine Destabilisierung von 2,5 GtC Methanhydraten an. Das sind allerdings nur etwa 0,2 % dessen, was möglicherweise zu dem Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum vor 50 Mio. Jahren geführt hat, als die globale Mitteltemperatur um 5-6 °C anstieg.[31]

In arktischen Methanhydraten wird insgesamt eine Methanmenge von 900 GtC angenommen. Die Bodenwassertemperaturen in den arktischen Schelfgebieten werden nach Modellberechnungen in den nächsten 100 Jahren um 1-2 °C steigen. Verstärkt werden könnte dieser Betrag durch einen mögliche Zustrom von warmem Wasser aus dem Atlantik. Von dem in der Arktis durch die Erwärmung in das Porenwasser der Sedimente freigesetztem Methan werden wahrscheinlich 50 % durch anaerobische mikrobielle Oxidation im Meeresboden zurückgehalten. Das in die Wassersäule freigesetzte Methan wird durch aerobe mikrobielle Oxidation in Kohlendioxid umgewandelt, mit der Folge einer beschleunigten Versauerung des Ozeanwassers. Das insgesamt durch schmelzende arktische Hydrate in die Atmosphäre gelangende Methan wird auf 162 Mio. t CH4 pro Jahr geschätzt, was deutlich unter dem gegenwärtigen Eintrag durch anthropogene Aktivitäten von 600 Mio. t CH4 pro Jahr liegt. Computermodellrechnungen haben ergebn, dass die Methanfreisetzung aus arktischen Hydraten in den nächsten 100 Jahren einen vernachlässigbaren Effekt auf das Klimasystem hat. Über einen längeren Zweitraum könnte die globale Erwärmung allerdings durch Methanfreisetzung aus arktischen Hydraten um 0,8 °C verstärkt werden.[32]

Eine plötzliche Freisetzung von größeren Methanmengen aus Hydraten in absehbarer Zeit, d.h. in den nächsten 100 Jahren, erscheint wegen der großen Zeitdimensionen der beteiligten Prozesse als sehr unwahrscheinlich. Höhere Temperaturen und mehr Niederschläge in den nächsten 100 Jahren werden wahrscheinlich aus Hydraten und Feuchtgebieten allenfalls so viel Methanemissionen entweichen lassen, wie gegenwärtig aus direkten anthropogenen Quellen emittiert wird. In den nächsten 1000 bis 100 000 Jahren kann es allerdings durch die globale Erwärmung zu einer Methanfreisetzung aus Hydraten kommen, die diese Erwärmung signifikant verstärken dürfte.[27]

Einzelnachweise

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  2. IPCC (2021): Climate Change 2021, Working Group I: The Science of Climate Change, 2.2.3
  3. World Meteorological Organization (2023): WMO Global Greenhouse Gas Bulletin No. 19
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  5. World Meteorological Organization (2023): WMO Global Greenhouse Gas Bulletin No. 19
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  9. Nisbet, E.G. (2023): Climate feedback on methane from wetlands, Nature Climate Change
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