CO2-Entnahme durch Küstenfeuchtgebiete

Aus Klimawandel
Abb. 1: Küstenökosysteme: Salzmarschen, Seegraswiesen, Tang- und Mangrovenwälder

Verbreitung und Ökosystemleistungen von Küstenfeuchtgebieten

Die vegetationsreichen Küstenökosysteme bzw. Küstenfeuchtgebiete aus Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven und Tangwäldern finden sich auf nur 0,2% der globalen Meeresbodenfläche, sind aber bedeutende Kohlenstoffspeicher. Die größte Fläche von 3,4 Mio. km2 wird von Tangwäldern eingenommen, die Flächenausdehnung von Mangroven wird auf 170.000 km2 geschätzt.[1] Salzwiesen bzw. Salzmarschen kommen besonders an Gezeitenküsten mit regelmäßiger Überflutung auf einer Fläche von 55.000 km2 vor. Bei Seegraswiesen sind die Annahmen über die Ausdehnung am unsichersten und reichen von 160.000 bis 266.000 km2.[2] Salzwiesen filtern Schadstoffe aus dem Wasser, dienen dem Küstenschutz und sind ein leistungsfähiger CO2-Speicher. Seegraswiesen sind ein wichtiger Lebensraum für Fische und andere Meeresbewohner, wodurch die Ernährung der Küstenbevölkerung unterstützt wird. Durch das Ausbremsen von Strömungen schützen Küstenfeuchtgebiete außerdem die nachgelagerten Küsten vor Erosion und Überschwemmungen.[2]

Kohlenstoffspeicherung

Abb. 2: Schematische Darstellung von Kohlenstoff-Austausch in blue carbon Ökosystemen

Küstenökosysteme (Mangroven, Salzmarschen und Seegraswiesen) werden wegen ihrer Fähigkeit, kohlenstoffreiche Sedimente zu akkumulieren und zu speichern, auch als ‚blue carbon‘ Ökosysteme bezeichnet.[3] Die Wurzeln von Salzmarschen, Seegraswiesen und Mangroven, die auf sandigem und schlammigem Untergrund wachsen, lagern einen Großteil des aufgenommenen Kohlenstoffs weitgehend unter Luftabschluss am Boden und in Sedimenten ab. Der Sauerstoffmangel verhindert die Zersetzung, so dass sich zunehmend mehr und mehr Kohlenstoff in bis zu mehreren Metern dicken Schichten ablagern kann. Hinzu kommt, dass die Böden gesättigt und stark salzhaltig sind, was ebenfalls den Abbau organischer Substanzen verlangsamt und die Emission von Methan begrenzt, das aus Süßwasserökosystemen wie Mooren entweicht.[4] Dadurch sind die Küstenökosysteme wesentlich effektivere CO2-Speicher als selbst tropische Regenwälder. Von Salzmarschen, Seegraswiesen und Mangroven wird angenommen, dass sie pro Flächeneinheit 30mal so viel Kohlenstoff aufnehmen wie die biomassereichen Regenwälder in den Tropen.

Die gespeicherten Mengen an global eingelagertem Kohlenstoff durch Küstenökosysteme ist schwer zu bestimmen und wird auf 85-250 Mio. t C pro Jahr geschätzt. Pro Flächeneinheit nehmen Mangroven mit 560 kg bis 11 t C pro ha und Jahr wahrscheinlich am meisten Kohlenstoff auf, gefolgt von Salzmarschen mit 28 kg bis 17 t C. Die in den Sedimenten luftdicht abgeschlossenen Lager können den Kohlenstoff Jahrhunderte bis Jahrtausende speichern.[1] Neben den Sedimenten schützt auch die Vegetationsdecke von Salz- und Seegraswiesen die Kohlenstoffreservoire im Boden. Darin besteht ein großer Unterschied zu Bäumen, die zwar viel Biomasse bilden, welche aber nach dem Absterben der Luft und damit dem mikrobiellen Abbau ausgesetzt ist. Obwohl Seegraswiesen weniger als 0,1% der Fläche des Meeresbodens einnehmen, speichern sie 10-18% des gesamten vom Meer aufgenommenen Kohlenstoffs.[2]

Neben Küstenökosystemen gelten in jüngster Zeit auch frei im Meer schwebende Makroalgen als bedeutende ozeanische Kohlenstoffsenke. Die beiden für die Kohlenstoffspeicherung wichtigsten Arten sind Tangwälder bzw. Seetang in kühlen Küstengewässern und Sargassum in tropischen und gemäßigten Küstengebieten. Beide zeichnen sich durch eine schwimmende Lebensweise aus. Sargassum kann dadurch z.B. durch Meeresströmungen und Wind zu Algenmatten mit Dicken von 0,1 bis 2 m zusammengetrieben werden.[4] Die von Makroalgen bedeckten Flächen und Speicherpotentiale sind nur grob bekannt und werden auf 3,4 Mio. km2 geschätzt.[5] Eine Schätzung für Sargassum beläuft sich auf ca. 3 Mio. km2,[6] für Tangwälder auf 20-400 Tausend.[5] Ein großer Teil des in Makroalgen ursprünglich gespeicherten Kohlenstoffs wird von Meeresströmungen in größere Entfernungen verfrachtet, gelangt in die marine Nahrungskette und in größere Meerestiefen. Ein Viertel soll nach jüngeren Schätzungen sogar die Sedimente der Tiefsee unter 4000 m erreichen.[4]

Gefährdung der Küstenfeuchtgebiete

Abb. 3: Gefährdung von Feuchtgebieten an Küsten durch den Meeresspiegelanstieg

Küstenökosysteme sind sowohl durch direkte menschliche Aktivitäten wie durch den Klimawandel, und damit indirekt ebenfalls durch den Menschen, gefährdet. Die Umwandlung von Küstenökosystemen in landwirtschaftliche Nutzflächen, Hafen- und Küstenschutzanlagen haben in den letzten 100 Jahren etwa die Hälfte aller Salzmarschen, ein Drittel der Seegraswiesen und fast 50% der Mangrovenwälder zerstört. Auch die weltweiten Tangwälder wurden ebenfalls auf die Hälfte reduziert.[1] Salzmarschen haben weltweit seit den 1980er Jahren stellenweise bis zu 60% ihrer Ausdehnung verloren, Seegraswiesen seit Ende des 19. Jahrhunderts 29%. Hauptursachen waren die Küstenentwicklung, eine erhöhte Nährstoffzufuhr und die Verschlechterung der Wasserqualität, seit 1990 aber zunehmend auch der Klimawandel.[3] Direkte menschliche Eingriffe schränken auch die Speicherung von Kohlenstoff oft ein. So sorgen etwa die Entwässerungsgräben an den Marschenküsten der Nordsee für eine stärkere Bodendurchlüftung und damit für eine Erhöhung des mikrobiellen Abbaus von Pflanzenresten, mit der Folge einer Emission von CO2.[2]

Die allgemeine Erwärmung und marine Hitzewellen haben vor allem Seegraswiesen geschädigt, die durch die weitere Zunahme der Temperaturen wahrscheinlich ihre Lebensräume polwärts verlagern werden müssen.[3] Mehrere lebenswichtige Prozesse von Seegräsern wie der Diffusionstransport von Gasen und gelösten Stoffen sowie die Photosynthese und Atmung sind temperaturabhängig und werden bei Temperaturen über 27 °C eingeschränkt.[7] Marine Hitzewellen haben bereits vielfach zum Absterben zahlreicher Pflanzen geführt, Stürme und starke Wellen können Seegräser entwurzeln und Salzwiesen beschädigen. Auch die Versauerung der Meere durch die erhöhte Kohlendioxid-Aufnahme beeinträchtigt das Wachstum von Seegräsern und Tangwäldern.[1] Ein weiteres Problem ist der Meeresspiegelanstieg, der Küstenökosysteme entweder dazu zwingt, mitzuwachsen oder ins Binnenland auszuweichen. Durch eine stärkere Sedimentation kann der Boden von Seegraswiesen höher gelegt werden und dabei unter Umständen, vor allem wenn der Anstieg des Meeresspiegels nicht zu stark ist, mit diesem mithalten. Die Fähigkeit zur Migration hängt dagegen von der lokalen Topographie und dem Vorhandensein von Küstenschutzanlagen ab. Sie kann sowohl durch natürlich Abhänge wie durch Deiche stark eingeschränkt sein. Je nach Szenario und den lokalen Gegebenheiten sind auch Salzmarschen durch den Meeresspiegelanstieg in den nächsten Jahrzehnten mehr oder weniger stark gefährdet.[8]

Abb. 4: Aktivitäten zur Wiederherstellung und Ausweitung von Küstenökosystemen.

Maßnahmen

Die weltweite Zerstörung von Küstenfeuchtgebieten ist eine wichtige Quelle von CO2-Emissionen. Die Verhinderung weiterer Verluste dieser bedeutenden Ökosysteme ist allein schon ein wichtiger Beitrag zur Emissionsminderung und damit zum Klimaschutz. Restaurationsprojekte in der ganzen Welt versuchen darüber hinaus, Küstenökosysteme wenigstens teilweise wiederherzustellen und im besten Fall sogar zu erweitern. Bisher wurde das jedoch kaum mit dem Ziel unternommen, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen und in Biomasse zu speichern. Vielmehr ging es um den Erhalt von Ökosystemleistungen vor Ort wie den Küstenschutz oder die Bewahrung des Artenreichtums. Heutzutage wird jedoch zunehmend gesehen, dass diese Maßnahmen auch dazu beitragen, die Kohlendioxidentnahme aus der Luft zu erhöhen. Quantitative Angaben zur CO2-Speicherung in einzelnen Küstenfeuchtgebieten sind jedoch sehr unterschiedlich und in hohem Maße von lokalen Bedingungen abhängig. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass restaurierte Salzmarschen Jahrzehnte bis Jahrhunderte brauchen, um so viel Kohlenstoff zu speichern wie naturbelassene Marschen, andere haben jedoch schon nach vier Jahren zumindest in den oberen 30 cm einen fast ebenso hohen Kohlenstoffgehalt wie in natürlichen Speichern festgestellt. Wesentliche Einflussfaktoren scheinen das Höheniveau, die lokale Hydrologie, die Beschaffenheit der Sedimente und die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften zu sein.[9]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 CDRmare (2022): Verstärkte Kohlenstoff-Speicherung durch die Ausweitung der Wiesen und Wälder des Meeres. DOI 10.3289/CDRmare.08.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Dolch, T. & K. Koop-Jakobsen (2023): CO2-Reduzierung an der Küste: Was können Seegras- und Salzwiesen leisten? In: Lozán J. L., H. Graßl, S.-Breckle, D. Kasang & M. Quante (Hrsg.). Warnsignal Klima. www.warnsignal-klima.de
  3. 3,0 3,1 3,2 IPCC AR6, WGII (2022): Climate Change 2022. Ch. 3, Impacts, Adaptation and Vulnerability, 3.4.2.5
  4. 4,0 4,1 4,2 Christianson, A.B., A. Cabré, B. Bernal et al. (2022): The Promise of Blue Carbon Climate Solutions: Where the Science Supports Ocean-Climate Policy. Front. Mar. Sci. 9:851448. doi: 10.3389/fmars.2022.851448
  5. 5,0 5,1 Krause-Jensen, D., P. Lavery, O. Serrano et al. (2018): Sequestration of Macroalgal Carbon: The Elephant in the Blue Carbon Room. Biol. Lett. 14 (6), 20180236. doi: 10.1098/rsbl.2018.0236
  6. Fernández Mendez, M., J. Schnetzer & V. Smetacek (2023): Sequestrierung und Speicherung von Kohlenstoff im Meer durch Sargassum-Aquakulturen. In: Lozán J. L., H. Graßl, S.-W. Breckle, D. Kasang & M. Quante (Hrsg.). Warnsignal Klima. S. 96-102, www.warnsignal-klima.de. DOI:10.25592
  7. Hansen, A.B., A.S. Pedersen, M. Kühl and K.E. Brodersen (2022): Temperature Effects on Leaf and Epiphyte Photosynthesis, Bicarbonate Use and Diel O2 Budgets of the Seagrass Zostera marina L. Front. Mar. Sci. 9:822485. doi: 10.3389/fmars.2022.822485
  8. Buchanan, M.K., S. Kulp and B. Strauss (2022): Resilience of U.S. coastal wetlands to accelerating sea level rise, Environmental Research Communications 4 (6)
  9. McMahon, L., C.J.T. Ladd, A. Burden et al. (2023): Maximizing blue carbon stocks through saltmarsh restoration. Front. Mar. Sci. 10:1106607. doi:10.3389/fmars.2023.1106607


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