Klimaprojektionen Amazonasgebiet
Der Amazonasregenwald ist der größte tropische Regenwald der Erde. Er ist jedoch gefährdet durch die globale Erwärmung und die Umwandlung von Regenwald in landwirtschaftliche Nutzflächen. Abnehmende Niederschläge und höhere Temperaturen, verstärkt durch Waldbrände, tragen schon heute zu einem Vegetationsstress bei, der höheren Kohlenstoffemissionen in die Atmosphäre bewirkt. Waldverluste durch Dürren und direkte menschliche Eingriffe verstärken wiederum die Trockenheit und erhöhen die Temperaturen, wodurch der Wald weiter geschädigt wird. Paläoklimatische Daten zeigen, dass der Regenwald moderaten Dürren zu widerstehen vermag. Ob das in Zukunft so bleibt, ist unsicher.[1]
Temperatur
Klimamodelle der jüngsten Generation CMIP6 projizieren für das gesamte Amazonasgebiet bis 2050 je nach SSP-Szenario eine Erhöhung der jährlichen Maximumtemperatur um 2 bis 4 °C.[2] Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte sich die mittlere Temperatur der Amazonasregion nach Angaben des Weltklimarates IPCC um mehr als 6 °C erhöhen.[3] Die mittlere Temperatur in der Trockenzeit liegt bereits heute in großen Teilen des zentralen und südöstlichen Amazonasgebietes um 2 °C höher als vor 40 Jahren. Wenn dieser Trend anhält, könnten diese Regionen bis zur Mitte des Jahrhunderts um 4 °C wärmer werden.[2]

Modellsimulationen von Parsons (2020)[1] zeigen nach dem hohen Szenario SSP3-7.0 für den Osten des Amazonasgebietes eine deutliche Erwärmung im Süd-Sommer, die am Ende des 21. Jahrhunderts bei 3,6-4,8 °C über dem Vergleichswert von 1950-2000 liegt. Einige Modelle projizieren sogar eine Temperaturerhöhung von bis zu 10 °C (Abb. 1). Deutlich niedriger ist die Temperaturzunahme bei dem niedrigen Szenario SSP1-2.6, das einer globalen Erwärmung von 2 °C über dem vorindustriellen Wert entspricht.

Die wichtigste Ursache der globalen Erwärmung, der steigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre, ruft jedoch komplexe Rückkopplungen mit dem Regenwald hervor. Pflanzen zeigen zwei wichtige physiologische Reaktionen auf den steigenden CO2-Gehalt. Zum einen werden die Photosynthese und das Pflanzenwachstum durch den CO2-Düngungseffekt gefördert. Zum anderen schließen sich durch das höhere CO2-Angebot teilweise die Stomata der Blätter, d.h. die Blattöffnungen, durch die die Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und Feuchtigkeit verdunsten. Beide Effekte besitzen entgegengesetzte Wirkungen auf die Oberflächentemperatur. Bei einem höheren Pflanzenwachstum nehmen die Bäume mehr Feuchtigkeit auf und verdunsten mehr Wasser (Transpiration). Die Verdunstung bewirkt einen Abkühlungseffekt. Durch die teilweise Schließung der Stomata wird jedoch die Verdunstung bzw. Transpiration unterdrückt und damit die Abkühlung abgeschwächt. Hinzu kommt, dass durch weniger Verdunstung die Wolkenbedeckung geringer wird, wodurch mehr Sonnenstrahlen die Erdoberfläche erreichen. Die teilweise Schließung der Stomata und die Verringerung der Wolkenbedeckung haben eine Erwärmung zur Folge. Nach Modellberechnungen überwiegt der Erwärmungseffekt und würde über dem Amazonasgebiet eine Temperaturerhöhung von knapp 0,5 °C hervorrufen.[4]
Niederschlag
Frühere Modellberechnungen (CMIP5) weisen auf eine größere Trockenheit im Nordosten des Amazonasgebietes, während der Westen infolge der globalen Erwärmung feuchter wird. Berechnungen der neuesten Modellgeneration (CMIP6) für den 6. Sachstandsbericht des IPCC zeigen dagegen längere und intensivere Dürren und eine größere Trockenheit und Abnahme der Bodenfeuchte auch im südwestlichen Amazonasgebiet. Modellsimulationen von Parsons (2020) bestätigen die Niederschlagsdefizite. Im Südsommer könnten im östlichen Amazonasbecken am Ende dieses Jahrhunderts 500-700 mm weniger Niederschlag fallen als 1950-2000. Entsprechend würde sich das Dürrerisiko um 40-60% erhöhen.[1]

Zusätzlich beeinflussen die Waldvernichtung und -degradierung die Niederschlagsverhältnisse. Über weniger dichtem Wald bildet sich weniger Wasserdampf, der über Luftströmungen an anderer Stelle als Niederschlag fallen kann. Fallen diese Prozesse aus, könnte es nach Modellberechnungen bereits 2050 zu einer Reduzierung des Niederschlags um 12% in der feuchten und 21% in der trockenen Jahreszeit kommen. Außerdem könnte sich die Trockenzeit ausdehnen, wodurch weiterer Wald verloren ginge und weniger Niederschlag durch Recycling generiert würde. Nach Modellberechnungen würden sich diese Prozesse besonders im Südosten des Amazonasgebiets, der am meisten von der intensiven Landnutzung betroffen ist, bemerkbar machen.[5]
Der Amazonasregenwald: ein Kipppunkt im Klimasystem?
Nach Ansicht verschiedener Autoren gehört der Amazonasregenwald zu den Kipppunkten im Klimasystem. Darunter versteht man klimatisch relevante Systeme, die durch den Klimawandel plötzlich in einen anderen Zustand ‚umkippen‘ könnten. Auch wenn die Ursachen für das ‚Umkippen‘ später wegfallen, wird dabei der frühere Zustand nicht ohne weiteres zurückkehren. Die Forschung hat mehrere solcher Kipppunkte ausgemacht, zu denen das Ausbleiben des Golfstroms, genauer des Nordatlantikstroms, zu den bekanntesten gehört.[6]
Ob in den konkreten Fällen Kipppunkte bereits erreicht sind oder in der näheren Zukunft erreicht werden, ist in der Forschung weitgehend umstritten. Das gilt auch für den Amazonasregenwald. So kommen jüngere Untersuchungen zu teils gegensätzlichen Einschätzungen, was die Bedrohung dieses einzigartigen Ökosystems betrifft. Die meisten Studien sehen die Existenz des Regenwalds in seiner heutigen Form durch zwei Prozesse gefährdet, 1. durch den Klimawandel und damit einhergehende Dürren und 2. durch die Abholzung und Umwandlung des Regenwalds in landwirtschaftliche Nutzflächen. Der Amazonasregenwald hat sich 65 Mio. Jahre lang gegenüber Klimaänderungen als relativ widerstandsfähig gezeigt. Der aktuelle Klimawandel und die Abholzung des Regenwalds stellen den Wald jedoch vor nie dagewesene Herausforderungen.[2]
Was spricht für den Amazonasregenwald als Kipppunkt?

Klimamodelle der jüngsten Generation CMIP6 projizieren nach Flores et al. (2024)[2] bis 2050 für die Region je nach Szenario eine Erhöhung der jährlichen Maximumtemperatur um 2-4 °C und eine Zunahme von aufeinanderfolgenden trockenen Tagen um 10-30 Tage. Die mittlere Temperatur in der Trockenzeit liegt bereits heute in großen Teilen des zentralen und südöstlichen Amazonasgebietes um 2 °C höher als vor 40 Jahren. Wenn dieser Trend anhält, könnte diese Region bis zur Mitte des Jahrhunderts um 4 °C wärmer werden. Hinzu kämen mehr extreme Dürren und Waldbrände. Die Folgen wären die Umwandlung von größeren Teilen des Amazonasregenwalds von einem stabilen in einen instabilen Zustand. Nach Modellsimulationen könnten sich bis 2050 35-41% des Ökosystems von einem stabilen in einen instabilen Zustand umwandeln und 2-6% sich zu einer Savanne verändern.
Hinzu kommt, dass der Amazonasregenwald nach Schätzungen seit den 1970er Jahren fast 20% seiner Fläche durch Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzfläche verloren hat, wodurch es auch zu einem Verlust von mehr als 5 Gt Kohlenstoff gekommen ist. Der Verlust an Biomasse führte letztlich auch zu einer Reduzierung von recyceltem Niederschlag und Intensivierung von Trockenzeiten, begleitet von Waldbränden, denen weitere Bäume zum Opfer fielen. So gerät das System in einen sich selbst verstärkenden Prozess, an dessen Ende eine Savannisierung des Regenwalds stehen könnte. Kritische Grenzen zu einer Umwandlung des Regenwalds in eine Savanne werden von verschiedenen Autoren bei einer Temperaturerhöhung von 3-4 °C, einer Niederschlagsabnahme um 30-40% und einer Entwaldung von über 40% bzw. auch schon bei 20-25% gesehen. Und schon bei einer Erwärmung von 1,5-2 °C könnte der Regenwald bei einem signifikanten Verlust an Biomasse durch Abholzungen ernsthaft gefährdet sein.[5]
Was spricht dagegen?
Allerdings zeigen Modelle mit einer dynamischen Vegetation, dass durch die Widerstandsfähigkeit des Tropenwaldes gegenüber dem Klimawandel die Savannisierung möglicherweise nur halb so hoch ausfallen könnte. Der wesentliche Faktor dabei ist der höhere CO2-Gehalt der Atmosphäre, der das Wachstum der Bäume fördert und sie damit widerstandsfähiger gegenüber Wassermangel macht.[2] Eine höhere CO2-Konzentration führt dazu, dass die Stomata der Blätter sich zeitweilig schließen (s.o.), da sie in kürzerer Zeit ausreichend Kohlendioxid aufnehmen, und damit die Verdunstung und den Wasserverlust der Pflanzen reduzieren.[7]
Eine andere mögliche 'Rettung' des Amazonasregenwaldes, nämlich durch die Änderungen der großräumigen atmosphärischen Zirkulation, zeigt eine Untersuchung mit dem sehr hochaufgelösten globalen Klimamodell ICON des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des Deutschen Wetterdienstes.[8] Die früheren Globalmodelle sind nach Einschätzung der Studie zu grob aufgelöst, die Regionalmodelle räumlich zu begrenzt, um Wechselwirkung auf regionaler Ebene mit der großräumigen Zirkulation zu erfassen. Das globale Klimamodell ICON, das mit 5 km eine höhere Auflösung als die meisten Regionalmodelle besitzt, konnte diese Schwierigkeiten weitgehend vermeiden.[9] Das Modell geht von einer totalen Entwaldung des Amazonasgebietes aus. Die jährlichen Niederschläge über der Region würden sich dennoch nur um 4% reduzieren.[8]
Dafür gibt es zwei Gründe. Die starke Abnahme der Evapotranspiration durch die Entwaldung besitzt einen deutlichen Erwärmungseffekt, der nach den ICON-Modellberechnungen bei 4 °C liegen würde. Dadurch kommt es zu einem starken Hitzetief über dem Amazonasbecken, das in Bodennähe feuchte Luft vom Atlantik anziehen und zu erhöhten Niederschläge in einem schmalen Gürtel im Nordosten des Amazonasgebiets führen würde. Hinzu kommen großräumige Zirkulationsveränderungen in ca. 3 km Höhe und eine Verschiebung des Südatlantischen Subtropenhochs in der feuchten Jahreszeit. Die Folgen wären stärkere Niederschläge im nördlichen und südöstlichen Amazonasgebiet sowie entlang der Anden. Insgesamt wirkt die Änderung der großräumigen Zirkulation der Niederschlagsabnahme durch die Abholzung entgegen. Damit wäre die Existenz eines Kipppunktes für das Amazonasgebiet deutlich in Frage gestellt.[8]
Einzelnachweise
- ↑ Hochspringen nach: 1,0 1,1 1,2 Parsons, L.A. (2020): Implications of CMIP6 projected drying trends for 21st century Amazonian drought risk. Earth's Future, 8, e2020EF001608
- ↑ Hochspringen nach: 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Flores, B.M., E. Montoya, B. Sakschewskiet al. (2024): Critical transitions in the Amazon forest system. Nature 626, 555–564
- ↑ IPCC AR6 WGI (2021): Future Global Climate: Scenario-Based Projections and Near-Term Information, 4.8
- ↑ Kimm, H., S.-W. Park, S.-Y. Jun & J.-S. Kug (2024): How does plant CO2 physiological forcing amplify Amazon warming in CMIP6 Earth system models?, Earth's Future, 12, e2023EF004223
- ↑ Hochspringen nach: 5,0 5,1 Wang, S., A. Foster, E.A. Lenz et al. (2023): Mechanisms and impacts of Earth system tipping elements. Reviews of Geophysics, 61, 1.
- ↑ Lenton, T.M., D.I. Armstrong McKay, S. Loriani et al. (eds), (2023): The Global Tipping Points Report 2023, University of Exeter, Exeter, UK.
- ↑ Marengo, J.A., C.M. Souza Jr., K. Thonicke et al. (2018): Changes in Climate and Land Use Over the Amazon Region: Current and Future Variability and Trends. Front. Earth Sci. 6:228. doi: 10.3389/feart.2018.00228
- ↑ Hochspringen nach: 8,0 8,1 8,2 Yoon, A., & C. Hohenegger (2025): Muted amazon rainfall response to deforestation in a global storm-resolving model. Geophysical Research Letters, 52, e2024GL110503
- ↑ Max-Planck-Institut für Meteorologie, MPI-M (2025): Amazonas-Region widerstandsfähiger als gedacht
Klimadaten zum Thema
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Hier finden Sie eine Anleitung zur Visualisierung der Daten.
Schülerarbeiten zum Thema
Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:
- Die Abholzung des Tropenwaldes im Amazonasgebiet und der Klimawandel (Anne-Frank-Schule, Bargteheide)
Lizenzhinweis
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