Klimaprojektionen Amazonasgebiet: Unterschied zwischen den Versionen

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== Bedeutung des Amazonas Regenwalds im Klimasystem ==
Der Amazonasregenwald ist der größte tropische Regenwald der Erde. Er ist jedoch gefährdet durch die globale Erwärmung und die Umwandlung von Regenwald in landwirtschaftliche Nutzflächen. Abnehmende Niederschläge und höhere Temperaturen, verstärkt durch [[Waldbrände im Amazonas-Regenwald|Waldbrände]], tragen schon heute zu einem Vegetationsstress bei, der höheren [[Kohlendioxidemissionen|Kohlenstoffemissionen]] in die [[Atmosphäre im Klimasystem|Atmosphäre]] bewirkt. Waldverluste durch [[Dürren im Amazonasgebiet|Dürren]] und direkte menschliche Eingriffe verstärken wiederum die Trockenheit und erhöhen die Temperaturen, wodurch der Wald weiter geschädigt wird. [[Holozän|Paläoklimatische Daten]] zeigen, dass der Regenwald moderaten Dürren zu widerstehen vermag. Ob das in Zukunft so bleibt, ist unsicher.<ref name="Parsons 2020">Parsons, L.A. (2020): [https://doi.org/10.1029/2020EF001608 Implications of CMIP6 projected drying trends for 21st century Amazonian drought risk]. Earth's Future, 8, e2020EF001608</ref>


Die Amazonas-Region hat in den letzten Jahren durch den fortschreitenden Klimawandel viel Aufmerksamkeit erhalten. Zum einen stellt der Klimawandel insbesondere durch die mit ihm verbundene regionale Abnahme des Niederschlags eine Bedrohung für den tropischen Regenwald dar. Zum anderen hat der Zustand des Regenwalds über den [[Kohlenstoffkreislauf|Kohlenstoff-]] und [[Wasserkreislauf]] sowie den [[Strahlungshaushalt der Atmosphäre|Strahlungshaushalt]] einen rückwirkenden Einfluss auf das lokale, regionale und globale Klima.
=== Temperatur ===
[[Erdsystemmodelle|Klimamodelle]] der jüngsten Generation CMIP6 projizieren für das gesamte Amazonasgebiet bis 2050 je nach [[SSP-Szenarien|SSP-Szenario]] eine Erhöhung der jährlichen Maximumtemperatur um 2 bis 4 °C.<ref name="Flores 2024">Flores, B.M., E. Montoya, B. Sakschewskiet al. (2024): [https://doi.org/10.1038/s41586-023-06970-0 Critical transitions in the Amazon forest system]. Nature 626, 555–564</ref>  Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte sich die mittlere Temperatur der Amazonasregion nach Angaben des Weltklimarates [[IPCC]] um mehr als 6 °C erhöhen.<ref name="IPCC 2021">IPCC AR6 WGI (2021): Future Global Climate: Scenario-Based Projections and Near-Term Information, 4.8</ref>  Die mittlere Temperatur in der Trockenzeit liegt bereits heute in großen Teilen des zentralen und südöstlichen Amazonasgebietes um 2 °C höher als vor 40 Jahren. Wenn dieser Trend anhält, könnten diese Regionen bis zur Mitte des Jahrhunderts um 4 °C wärmer werden.<ref name="Flores 2024"/>


Der Amazonas-Regenwald ist somit ein Rückkopplungsmechanismus im Klimasystem, der eine anfängliche Klimaänderung verstärken oder abdämpfen kann. Desweiteren stellt der Amazonas Regenwald einigen Studien zufolge ein [[Kipppunkte im Klimasystem#Austrocknung des amazonischen Regenwalds|Kippelement]] des Klimasystems mit zwei stabilen Zuständen dar, dem aktuellen Zustand sowie einem trockeneren Zustand mit veränderter Vegetationszusammensetzung. Demnach könnte der kritische Wert der Waldbedeckung, der zu einer nur schwer umkehrbaren Änderung zu einem trockeneren Klima führt, durch fortschreitende [[Deforestation (Tropen)|Abholzung]] und Einwirkungen des Klimawandels bereits im Jahr 2050 erreicht werden.<ref>Soares-Filho, B. S., et al. (2006): Modelling conservation in the Amazon basin. Nature 440, 520-523</ref>
[[Bild:Temp-E-Amazon-1900-2100.jpg|thumb|520px|Abb. 1: Änderung der Temperatur im Oktober-März 1900-2100 im östlichen Amazonasgebiet nach Beobachtungen (graue Linie) und nach dem Szenario SSP3-7.0 (rot-schwarze Linie). Gestrichelte Linie: Mittel der Periode 1950-2000, gepunktete Linie: obere Grenze von 2 bzw. 1,5 Standardabweichungen für 1950-2000. ]]


== Globaler Klimawandel als Antrieb für Klimaänderungen ==
Modellsimulationen von Parsons (2020)<ref name="Parsons 2020"/> zeigen nach dem hohen Szenario SSP3-7.0 für den Osten des Amazonasgebietes eine deutliche Erwärmung im Süd-Sommer, die am Ende des 21. Jahrhunderts bei 3,6-4,8 °C über dem Vergleichswert von 1950-2000 liegt. Einige Modelle projizieren sogar eine Temperaturerhöhung von bis zu 10 °C (Abb. 1). Deutlich niedriger ist die Temperaturzunahme bei dem niedrigen Szenario SSP1-2.6, das einer globalen Erwärmung von 2 °C über dem vorindustriellen Wert entspricht.


[[Bild:Lateinamerika_temp_ns.jpg|thumb|360px|Änderungen der Temperatur und des Niederschlags in Mittel- und Südamerika nach dem [[Klimaszenarien#Die_IPCC-Emissionszenarien|A1B-Szenario]] zwischen 1980-1999 und 2080-2099 im Nord-Sommer (JJA)]]
[[Bild:Amazon-Verdunstung-Temp-Wolk.jpg|thumb|520px|Abb. 2: Abnehmende Verdunstung erhöht die Temperatur, wodurch die Wolkenbedeckung abnimmt (Modellsimulation über ca. 100 Jahre).]]
 
Die Grundlage der folgenden Vorhersagen sind Klimasimulationen des 4. [[IPCC]] Berichts, die auf dem A1B [[Klimaszenarien|Szenario]] beruhen (IPCC AR4, WG I, Kapitel 11.6). Die für diese Projektionen verwendeten globalen [[Klimamodelle]] enthalten keine dynamische Vegetation. Das bedeutet, dass sie eine Klimaänderung in der Amazonas-Region berechnen, ohne die Rückkopplung durch Wechselwirkungsprozesse mit der Vegetation zu berücksichtigen. Die Vegetation ist also fest vorgegeben, sodass auch die Auswirkung eines Klimawandels auf die Vegetation oder eine fortschreitende Abholzung ebenso wenig im Modell integriert sind wie die Rückwirkungen der Änderungen des Amazonas-Regenwaldes auf das Klima. Auf Klimaprojektionen mit Modellen, die eine dynamische Vegetation enthalten, wird im darauffolgenden Abschnitt eingegangen.
Die wichtigste Ursache der globalen Erwärmung, der steigende CO<sub>2</sub>-Gehalt in der Atmosphäre, ruft jedoch komplexe [[Feedback|Rückkopplungen]] mit dem Regenwald hervor. Pflanzen zeigen zwei wichtige physiologische [[Terrestrischer Kohlenstoffkreislauf|Reaktionen auf den steigenden CO<sub>2</sub>-Gehalt]]. Zum einen werden die [[Photosynthese]] und das Pflanzenwachstum durch den CO<sub>2</sub>-Düngungseffekt gefördert. Zum anderen schließen sich durch das höhere CO<sub>2</sub>-Angebot teilweise die Stomata der Blätter, d.h. die Blattöffnungen, durch die die Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und Feuchtigkeit [[Verdunstung|verdunsten]]. Beide Effekte besitzen entgegengesetzte Wirkungen auf die Oberflächentemperatur. Bei einem höheren Pflanzenwachstum nehmen die Bäume mehr Feuchtigkeit auf und verdunsten mehr Wasser (Transpiration). Die Verdunstung bewirkt einen Abkühlungseffekt. Durch die teilweise Schließung der Stomata wird jedoch die Verdunstung bzw. Transpiration unterdrückt und damit die Abkühlung abgeschwächt. Hinzu kommt, dass durch weniger Verdunstung die [[Wolken]]bedeckung geringer wird, wodurch mehr [[Strahlung|Sonnenstrahlen]] die Erdoberfläche erreichen. Die teilweise Schließung der Stomata und die Verringerung der Wolkenbedeckung haben eine Erwärmung zur Folge. Nach Modellberechnungen überwiegt der Erwärmungseffekt und würde über dem Amazonasgebiet eine Temperaturerhöhung von knapp 0,5 °C hervorrufen.<ref name="Kimm 2024">Kimm, H., S.-W. Park, S.-Y. Jun & J.-S. Kug (2024): [https://doi.org/10.1029/2023EF004223 How does plant CO<sub>2</sub> physiological forcing amplify Amazon warming in CMIP6 Earth system models?], Earth's Future, 12, e2023EF004223</ref> 
 
=== Temperatur ===
 
Die verschiedenen Modelle geben für die Amazonas-Region im Mittel eine Erwärmung um 3.3 Grad Celsius zwischen 1980-1999 und 2080-2099 an. Dieser Wert liegt leicht über der Projektion der Zunahme der mittleren globalen Temperatur um 2.8 Grad Celsius. Der positive Trend in der Temperatur ist deutlich von den natürlichen Schwankungen der Modelle unterscheidbar.


=== Niederschlag ===
=== Niederschlag ===
Frühere Modellberechnungen (CMIP5) weisen auf eine größere Trockenheit im Nordosten des Amazonasgebietes, während der Westen infolge der globalen Erwärmung feuchter wird. Berechnungen der neuesten Modellgeneration (CMIP6) für den 6. Sachstandsbericht des IPCC zeigen dagegen längere und [[Dürren im Amazonasgebiet|intensivere Dürren]] und eine größere Trockenheit und Abnahme der Bodenfeuchte auch im südwestlichen Amazonasgebiet. Modellsimulationen von Parsons (2020) bestätigen die Niederschlagsdefizite. Im Südsommer könnten im östlichen Amazonasbecken am Ende dieses Jahrhunderts 500-700 mm weniger Niederschlag fallen als 1950-2000. Entsprechend würde sich das Dürrerisiko um 40-60% erhöhen.<ref name="Parsons 2020"/> 


Die Projektionen des 4. IPCC Berichts zeigen eine leichte Abnahme des mittleren Niederschlags der Amazonas-Region. Allerdings gibt es starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen und Jahreszeiten. So zeigen die Modelle eine Zunahme des Süd-Winter-Niederschlags (Juni-August) und eine Abnahme des Süd-Sommer-Niederschlags (Dezember-Februar).
[[Bild:Amazon-Wald–Vegetation.jpg|thumb|520px|Abb. 3: Änderung der Wechselwirkungen von Vegetation und Atmosphäre durch Abholzung und die Folgen für den Niederschlag.]]
 
Zusätzlich beeinflussen die Waldvernichtung und -degradierung die Niederschlagsverhältnisse. Über weniger dichtem Wald bildet sich weniger [[Wasserdampf]], der über Luftströmungen an anderer Stelle als Niederschlag fallen kann. Fallen diese Prozesse aus, könnte es nach Modellberechnungen bereits 2050 zu einer Reduzierung des Niederschlags um 12% in der feuchten und 21% in der trockenen Jahreszeit kommen. Außerdem könnte sich die Trockenzeit ausdehnen, wodurch weiterer Wald verloren ginge und weniger Niederschlag durch Recycling generiert würde. Nach Modellberechnungen würden sich diese Prozesse besonders im Südosten des Amazonasgebiets, der am meisten von der intensiven Landnutzung betroffen ist, bemerkbar machen.<ref name="Wang 2023">Wang, S., A. Foster, E.A. Lenz et al. (2023): [https://doi.org/10.1029/2021RG000757 Mechanisms and impacts of Earth system tipping elements]. Reviews of Geophysics, 61, 1.  </ref>  
=== Wichtige Prozesse und Modellunsicherheiten ===
 
Die für diese Projektionen verwendeten Modelle zeigen große Schwierigkeiten, die beobachteten Niederschlagsmuster zu reproduzieren. Grund dafür sind unter anderem die generell ungenügende Repräsentation von tropischem konvektiven Niederschlag in den Modellen sowie die schlechte räumliche Auflösung der Anden. Regionale Klimamodelle mit einer höheren räumlichen Auflösung können hier zwar Verbesserungen bringen, allerdings befindet sich die [[Regionale Klimamodelle|regionale Klimamodellierung]] über Südamerika noch in einem frühen Entwicklungsstadium und ist Gegenstand aktueller Forschung. <ref>Solman, S. A. (2013): Regional Climate Modeling over South America: A Review. Advances in Meteorology, vol. 2013, 13 pages</ref>
Daher sind die oben vorgestellten Vorhersagen der Niederschlagsänderungen mit Vorsicht zu interpretieren. Weitere wichtige Prozesse, die den Klimawandel in der Amazonas-Region beeinflussen, sind eine Änderung der [[ENSO]] und eine Verschiebung der [[Innertropische Konvergenzzone|ITCZ]]. Die Projektionen der zukünftigen Entwicklung der ENSO unterscheiden sich stark zwischen verschiedenen Modellen, und auch bezüglich einer Verlagerung der ITCZ gibt es große Unsicherheiten. Da die räumliche und zeitliche Verteilung des Niederschlags in Südamerika im Wesentlichen durch das Zusammenspiel der großräumigen Zirkulation mit der Topographie und den regionalen Temperaturunterschieden zustande kommt, stellen diese beiden Prozesse eine wichtige Quelle für Unsicherheiten in den Projektionen dar. Eine weitere wichtige Unsicherheit der vorgestellten Prognosen liegt in der nicht berücksichtigten Änderung der Vegetation, auf die in den folgenden Abschnitten eingegangen wird.
 
== Klimaänderungen und die Wechselwirkung mit der Vegetation ==
 
Die Regenwälder in der Amazonas-Region spielen eine wichtige Rolle für das regionale und globale Klima. In ihnen sind etwa 120 GtC gespeichert, und sie sind für etwa 15% der globalen [[Photosynthese]] auf Landflächen verantwortlich. <ref name="Malhi 2008">Malhi, Y., et al. (2008): Climate change, deforestation, and the fate of the Amazon. Science, 319, 169-172</ref> Zudem spielen sie durch Evapotranspiration, also die Aufnahme von im Untergrund gespeichertem Wasser und seine Abgabe an die Atmosphäre, eine wichtige Rolle im Wasser-Kreislauf. Weitere Einflüsse des tropischen Regenwaldes auf das Klima resultieren aus seiner relativ geringen Reflektivität von Sonnenlicht (geringen Albedo), der Produktion von [[Aerosole|Aerosolen]] und der relativ hohen Rauigkeit der Landoberfläche. <ref name="Malhi 2008"/>


Diese Einflüsse der Vegetation auf den Kohlenstoff- und Wasserkreislauf stellen wichtige Rückkopplungsmechanismen für einen anfänglichen Klimawandel dar. So kann eine Abnahme des Niederschlags zu einer Abnahme des Regenwalds durch Umwandlung in Savanne führen, die wiederum zu einer Verstärkung der Abnahme des Niederschlags führt. Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang die beobachtete und simulierte Abnahme des Niederschlags in der Trockenzeit, die zu geringeren konvektiven Niederschlägen führt und damit die Umwandlung von Regenwald in Savanne fördert.<ref name="Malhi 2008"/> Auch über den Kohlenstoffkreislauf gibt es eine Rückkopplung durch die Vegetation. So kann eine durch anthropogene CO<sub>2</sub>-Emissionen verursachte Klimaänderung verstärkt werden, wenn durch die Umwandlung von Regenwald in Savanne, Dürren oder Waldbrände große Anteile des im Amazonas-Regenwald gespeicherten Kohlenstoffs in die Atmosphäre gelangen.<ref name="Malhi 2008"/>
=== Der Amazonasregenwald: ein Kipppunkt im Klimasystem? ===
Nach Ansicht verschiedener Autoren gehört der Amazonasregenwald zu den [[Kipppunkte im Klimasystem|Kipppunkten]] im Klimasystem. Darunter versteht man klimatisch relevante Systeme, die durch den Klimawandel plötzlich in einen anderen Zustand ‚umkippen‘ könnten. Auch wenn die Ursachen für das ‚Umkippen‘ später wegfallen, wird dabei der frühere Zustand nicht ohne weiteres zurückkehren. Die Forschung hat mehrere solcher Kipppunkte ausgemacht, zu denen das [[Atlantische Umwälzzirkulation in der Gegenwart|Ausbleiben des Golfstroms]], genauer des Nordatlantikstroms, zu den bekanntesten gehört.<ref>Lenton, T.M., D.I. Armstrong McKay, S. Loriani et al. (eds), (2023): [https://report-2023.global-tipping-points.org/ The Global Tipping Points Report 2023], University of Exeter, Exeter, UK.</ref>


== Projektionen der Vegetationsänderung ==
Ob in den konkreten Fällen Kipppunkte bereits erreicht sind oder in der näheren Zukunft erreicht werden, ist in der Forschung weitgehend umstritten. Das gilt auch für den Amazonasregenwald. So kommen jüngere Untersuchungen zu teils gegensätzlichen Einschätzungen, was die Bedrohung dieses einzigartigen Ökosystems betrifft. Die meisten Studien sehen die Existenz des Regenwalds in seiner heutigen Form durch zwei Prozesse gefährdet, 1. durch den Klimawandel und damit einhergehende Dürren und 2. durch die Abholzung und Umwandlung des Regenwalds in landwirtschaftliche Nutzflächen. Der Amazonasregenwald hat sich 65 Mio. Jahre lang gegenüber Klimaänderungen als relativ widerstandsfähig gezeigt. Der aktuelle Klimawandel und die Abholzung des Regenwalds stellen den Wald jedoch vor nie dagewesene Herausforderungen.<ref name="Flores 2024"/> 


Die größten Unsicherheiten in den Projektionen einer zukünftigen Entwicklung des Klimas in der Amazonas-Region liegen in der [[Wälder im Klimawandel|Wechselwirkung mit der Vegetation]]. Modelle, die die Änderung der Vegetation unter einer Klimaänderung simulieren, zeigen die unterschiedliche Behandlung der Vegetation in verschiedenen Modellen als größte Unsicherheitsquelle. Da Klimamodelle in der Simulation der Klimaänderung in der Amazonasregion große Unterschiede zeigen, insbesondere im Niederschlag, stellt dies eine weitere Unsicherheit dar. In einer Studie mit 22 Klimamodellen, in der der Einfluss einer Änderung verschiedener meteorologischer Größen auf die Vegetation jeweils separat untersucht wird, hat die Zunahme der Konzentration von CO<sub>2</sub> in der Atmosphäre über den Düngungseffekt allerdings den größten Einfluss auf die in der Amazonasregion in Pflanzen gespeicherte Menge an Kohlenstoff, gefolgt von einer Änderung der Temperatur und des Niederschlags. <ref>Huntingford, C., et al. (2013): Simulated resilience of tropical rainforests to CO<sub>2</sub>-induced climate change. Nature Geoscience, 6, 268-273</ref>
==== Was spricht für den Amazonasregenwald als Kipppunkt? ====
[[Bild:Amazon tipping potential.jpg|thumb|440px|Abb. 4: Kipppunkte-Potential im Amazonasgebiet im Jahr 2050: -1 (blau) = gering, 2-4 (orange bis rot) = hoch bis sehr hoch.]]
Klimamodelle der jüngsten Generation CMIP6 projizieren nach Flores et al. (2024)<ref name="Flores 2024"/> bis 2050 für die Region je nach Szenario eine Erhöhung der jährlichen Maximumtemperatur um 2-4 °C und eine Zunahme von aufeinanderfolgenden trockenen Tagen um 10-30 Tage. Die mittlere Temperatur in der Trockenzeit liegt bereits heute in großen Teilen des zentralen und südöstlichen Amazonasgebietes um 2 °C höher als vor 40 Jahren. Wenn dieser Trend anhält, könnte diese Region bis zur Mitte des Jahrhunderts um 4 °C wärmer werden. Hinzu kämen mehr extreme Dürren und Waldbrände. Die Folgen wären die Umwandlung von größeren Teilen des Amazonasregenwalds von einem stabilen in einen instabilen Zustand. Nach Modellsimulationen könnten sich bis 2050 35-41% des Ökosystems von einem stabilen in einen instabilen Zustand umwandeln und 2-6% sich zu einer Savanne verändern.  


Beobachtungen zeigen einen großen Einfluss des Niederschlags auf die Vegetation in der Amazonas- Region. So kann eine zunehmende Trockenheit zum Beispiel Auslöser für Dürren wie in den Jahren 2005 und 2010 sein, die zu einer Abnahme des in der Region gespeicherten Kohlenstoffes führen und somit eine positive Rückkopplung auf einen durch anthropogene CO<sub>2</sub> Emissionen verursachten Klimawandel darstellen.<ref>Phillips, O. L., et al. (2009): Drought sensitivity of the Amazon rainforest. Science, 323, 1344-1347</ref> Zudem wird eine Zunahme von Waldbränden projiziert, die über den Kohlenstoffkreislauf ebenfalls auf das Klima rückwirken.<ref>Cochrane, M.A., C.P. Barber (2009): Climate change, human land use and future fires in the Amazon. Global Change Biology 15, 601–612</ref>
Hinzu kommt, dass der Amazonasregenwald nach Schätzungen seit den 1970er Jahren fast 20% seiner Fläche durch Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzfläche verloren hat, wodurch es auch zu einem Verlust von mehr als 5 Gt Kohlenstoff gekommen ist. Der Verlust an Biomasse führte letztlich auch zu einer Reduzierung von recyceltem Niederschlag und Intensivierung von Trockenzeiten, begleitet von Waldbränden, denen weitere Bäume zum Opfer fielen. So gerät das System in einen sich selbst verstärkenden Prozess, an dessen Ende eine Savannisierung des Regenwalds stehen könnte. Kritische Grenzen zu einer Umwandlung des Regenwalds in eine Savanne werden von verschiedenen Autoren bei einer Temperaturerhöhung von 3-4 °C, einer Niederschlagsabnahme um 30-40% und einer Entwaldung von über 40% bzw. auch schon bei 20-25% gesehen. Und schon bei einer Erwärmung von 1,5-2 °C könnte der Regenwald bei einem signifikanten Verlust an Biomasse durch Abholzungen ernsthaft gefährdet sein.<ref name="Wang 2023"/>


Durch die mit dem Niederschlag verbundene Rückkopplung besitzt die Amazonas-Region womöglich zwei stabile Vegetationszustände, den aktuellen, feuchten Zustand, sowie einen trockeneren Zustand. Modelle zeigen einen nur schwer umkehrbaren Übergang zum trockeneren Zustand ab einer Abholzung von 40% des gesamtem Amazonas-Beckens. <ref>Davidson, E. A., et al. (2012): The Amazon basin in transition. Nature, 481, 321-328</ref> Dieser sogenannte Dieback des Amazonas-Regenwalds stellt einen möglichen Kipppunkt des Klimasystems dar.
==== Was spricht dagegen? ====
Allerdings zeigen Modelle mit einer dynamischen Vegetation, dass durch die Widerstandsfähigkeit des Tropenwaldes gegenüber dem Klimawandel die Savannisierung möglicherweise nur halb so hoch ausfallen könnte. Der wesentliche Faktor dabei ist der höhere CO<sub>2</sub>-Gehalt der Atmosphäre, der das Wachstum der Bäume fördert und sie damit widerstandsfähiger gegenüber Wassermangel macht.<ref name="Flores 2024"/>  Eine höhere CO<sub>2</sub>-Konzentration führt dazu, dass die Stomata der Blätter sich zeitweilig schließen (s.o.), da sie in kürzerer Zeit ausreichend Kohlendioxid aufnehmen, und damit die Verdunstung und den Wasserverlust der Pflanzen reduzieren.<ref name="Marengo 2018">Marengo, J.A., C.M. Souza Jr., K. Thonicke et al. (2018): [https://www.frontiersin.org/journals/earth-science/articles/10.3389/feart.2018.00228/full Changes in Climate and Land Use Over the Amazon Region: Current and Future Variability and Trends]. Front. Earth Sci. 6:228. doi: 10.3389/feart.2018.00228</ref>
Eine andere mögliche 'Rettung' des Amazonasregenwaldes, nämlich durch die Änderungen der großräumigen [[Atmosphärische Zirkulation|atmosphärischen Zirkulation]], zeigt eine Untersuchung mit dem sehr hochaufgelösten globalen Klimamodell ICON des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des Deutschen Wetterdienstes.<ref name="Yoon 2025">Yoon, A., & C. Hohenegger (2025): [https://doi.org/10.1029/2024GL110503 Muted amazon rainfall response to deforestation in a global storm-resolving model]. Geophysical Research Letters, 52, e2024GL110503</ref>  Die früheren [[Globale Zirkulationsmodelle|Globalmodelle]] sind nach Einschätzung der Studie zu grob aufgelöst, die [[Regionale Klimamodelle|Regionalmodelle]] räumlich zu begrenzt, um Wechselwirkung auf regionaler Ebene mit der großräumigen Zirkulation zu erfassen. Das globale Klimamodell ICON, das mit 5 km eine höhere Auflösung als die meisten Regionalmodelle besitzt, konnte diese Schwierigkeiten weitgehend vermeiden.<ref name="MPI-M 2025">Max-Planck-Institut für Meteorologie, MPI-M (2025): [https://www.mpg.de/24230805/amazonas-regenwald-niederschlag-kipppunkt Amazonas-Region widerstandsfähiger als gedacht]</ref> Das Modell geht von einer totalen Entwaldung des Amazonasgebietes aus. Die jährlichen Niederschläge über der Region würden sich dennoch nur um 4% reduzieren.<ref name="Yoon 2025"/> 
Dafür gibt es zwei Gründe. Die starke Abnahme der Evapotranspiration durch die Entwaldung besitzt einen deutlichen Erwärmungseffekt, der nach den ICON-Modellberechnungen bei 4 °C liegen würde. Dadurch kommt es zu einem starken Hitzetief über dem Amazonasbecken, das in Bodennähe feuchte Luft vom Atlantik anziehen und zu erhöhten Niederschläge in einem schmalen Gürtel im Nordosten des Amazonasgebiets führen würde. Hinzu kommen großräumige Zirkulationsveränderungen in ca. 3 km Höhe und eine Verschiebung des Südatlantischen [[Subtropen]]hochs in der feuchten Jahreszeit. Die Folgen wären stärkere Niederschläge im nördlichen und südöstlichen Amazonasgebiet sowie entlang der Anden. Insgesamt wirkt die Änderung der großräumigen Zirkulation der Niederschlagsabnahme durch die Abholzung entgegen. Damit wäre die Existenz eines Kipppunktes für das Amazonasgebiet deutlich in Frage gestellt.<ref name="Yoon 2025"/>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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==Schülerarbeiten zum Thema==
==Schülerarbeiten zum Thema==
'''Schülerarbeiten zum Thema des Artikels''' aus dem [https://bildungsserver.hamburg.de/themenschwerpunkte/klimawandel-und-klimafolgen/schulprojekt-klimawandel Schulprojekt Klimawandel]:
'''Schülerarbeiten zum Thema des Artikels''' aus dem [https://bildungsserver.hamburg.de/themenschwerpunkte/klimawandel-und-klimafolgen/schulprojekt-klimawandel/ergebnisse-des-schulprojekts Schulprojekt Klimawandel]:
* [http://bildungsserver.hamburg.de/contentblob/4113678/7b37b3df445cabb4bad0bab32ecbee7b/data/2013-amazonas-klimawandel.pdf Die Abholzung des Tropenwaldes im Amazonasgebiet und der Klimawandel] (Anne-Frank-Schule, Bargteheide)
* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/756142/ba319e7981ff1073c128d77a6fcd742f/2013-amazonas-klimawandel-data.pdf Die Abholzung des Tropenwaldes im Amazonasgebiet und der Klimawandel] (Anne-Frank-Schule, Bargteheide)
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Aktuelle Version vom 7. März 2025, 20:02 Uhr

Der Amazonasregenwald ist der größte tropische Regenwald der Erde. Er ist jedoch gefährdet durch die globale Erwärmung und die Umwandlung von Regenwald in landwirtschaftliche Nutzflächen. Abnehmende Niederschläge und höhere Temperaturen, verstärkt durch Waldbrände, tragen schon heute zu einem Vegetationsstress bei, der höheren Kohlenstoffemissionen in die Atmosphäre bewirkt. Waldverluste durch Dürren und direkte menschliche Eingriffe verstärken wiederum die Trockenheit und erhöhen die Temperaturen, wodurch der Wald weiter geschädigt wird. Paläoklimatische Daten zeigen, dass der Regenwald moderaten Dürren zu widerstehen vermag. Ob das in Zukunft so bleibt, ist unsicher.[1]

Temperatur

Klimamodelle der jüngsten Generation CMIP6 projizieren für das gesamte Amazonasgebiet bis 2050 je nach SSP-Szenario eine Erhöhung der jährlichen Maximumtemperatur um 2 bis 4 °C.[2] Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte sich die mittlere Temperatur der Amazonasregion nach Angaben des Weltklimarates IPCC um mehr als 6 °C erhöhen.[3] Die mittlere Temperatur in der Trockenzeit liegt bereits heute in großen Teilen des zentralen und südöstlichen Amazonasgebietes um 2 °C höher als vor 40 Jahren. Wenn dieser Trend anhält, könnten diese Regionen bis zur Mitte des Jahrhunderts um 4 °C wärmer werden.[2]

Abb. 1: Änderung der Temperatur im Oktober-März 1900-2100 im östlichen Amazonasgebiet nach Beobachtungen (graue Linie) und nach dem Szenario SSP3-7.0 (rot-schwarze Linie). Gestrichelte Linie: Mittel der Periode 1950-2000, gepunktete Linie: obere Grenze von 2 bzw. 1,5 Standardabweichungen für 1950-2000.

Modellsimulationen von Parsons (2020)[1] zeigen nach dem hohen Szenario SSP3-7.0 für den Osten des Amazonasgebietes eine deutliche Erwärmung im Süd-Sommer, die am Ende des 21. Jahrhunderts bei 3,6-4,8 °C über dem Vergleichswert von 1950-2000 liegt. Einige Modelle projizieren sogar eine Temperaturerhöhung von bis zu 10 °C (Abb. 1). Deutlich niedriger ist die Temperaturzunahme bei dem niedrigen Szenario SSP1-2.6, das einer globalen Erwärmung von 2 °C über dem vorindustriellen Wert entspricht.

Abb. 2: Abnehmende Verdunstung erhöht die Temperatur, wodurch die Wolkenbedeckung abnimmt (Modellsimulation über ca. 100 Jahre).

Die wichtigste Ursache der globalen Erwärmung, der steigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre, ruft jedoch komplexe Rückkopplungen mit dem Regenwald hervor. Pflanzen zeigen zwei wichtige physiologische Reaktionen auf den steigenden CO2-Gehalt. Zum einen werden die Photosynthese und das Pflanzenwachstum durch den CO2-Düngungseffekt gefördert. Zum anderen schließen sich durch das höhere CO2-Angebot teilweise die Stomata der Blätter, d.h. die Blattöffnungen, durch die die Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und Feuchtigkeit verdunsten. Beide Effekte besitzen entgegengesetzte Wirkungen auf die Oberflächentemperatur. Bei einem höheren Pflanzenwachstum nehmen die Bäume mehr Feuchtigkeit auf und verdunsten mehr Wasser (Transpiration). Die Verdunstung bewirkt einen Abkühlungseffekt. Durch die teilweise Schließung der Stomata wird jedoch die Verdunstung bzw. Transpiration unterdrückt und damit die Abkühlung abgeschwächt. Hinzu kommt, dass durch weniger Verdunstung die Wolkenbedeckung geringer wird, wodurch mehr Sonnenstrahlen die Erdoberfläche erreichen. Die teilweise Schließung der Stomata und die Verringerung der Wolkenbedeckung haben eine Erwärmung zur Folge. Nach Modellberechnungen überwiegt der Erwärmungseffekt und würde über dem Amazonasgebiet eine Temperaturerhöhung von knapp 0,5 °C hervorrufen.[4]

Niederschlag

Frühere Modellberechnungen (CMIP5) weisen auf eine größere Trockenheit im Nordosten des Amazonasgebietes, während der Westen infolge der globalen Erwärmung feuchter wird. Berechnungen der neuesten Modellgeneration (CMIP6) für den 6. Sachstandsbericht des IPCC zeigen dagegen längere und intensivere Dürren und eine größere Trockenheit und Abnahme der Bodenfeuchte auch im südwestlichen Amazonasgebiet. Modellsimulationen von Parsons (2020) bestätigen die Niederschlagsdefizite. Im Südsommer könnten im östlichen Amazonasbecken am Ende dieses Jahrhunderts 500-700 mm weniger Niederschlag fallen als 1950-2000. Entsprechend würde sich das Dürrerisiko um 40-60% erhöhen.[1]

Abb. 3: Änderung der Wechselwirkungen von Vegetation und Atmosphäre durch Abholzung und die Folgen für den Niederschlag.

Zusätzlich beeinflussen die Waldvernichtung und -degradierung die Niederschlagsverhältnisse. Über weniger dichtem Wald bildet sich weniger Wasserdampf, der über Luftströmungen an anderer Stelle als Niederschlag fallen kann. Fallen diese Prozesse aus, könnte es nach Modellberechnungen bereits 2050 zu einer Reduzierung des Niederschlags um 12% in der feuchten und 21% in der trockenen Jahreszeit kommen. Außerdem könnte sich die Trockenzeit ausdehnen, wodurch weiterer Wald verloren ginge und weniger Niederschlag durch Recycling generiert würde. Nach Modellberechnungen würden sich diese Prozesse besonders im Südosten des Amazonasgebiets, der am meisten von der intensiven Landnutzung betroffen ist, bemerkbar machen.[5]

Der Amazonasregenwald: ein Kipppunkt im Klimasystem?

Nach Ansicht verschiedener Autoren gehört der Amazonasregenwald zu den Kipppunkten im Klimasystem. Darunter versteht man klimatisch relevante Systeme, die durch den Klimawandel plötzlich in einen anderen Zustand ‚umkippen‘ könnten. Auch wenn die Ursachen für das ‚Umkippen‘ später wegfallen, wird dabei der frühere Zustand nicht ohne weiteres zurückkehren. Die Forschung hat mehrere solcher Kipppunkte ausgemacht, zu denen das Ausbleiben des Golfstroms, genauer des Nordatlantikstroms, zu den bekanntesten gehört.[6]

Ob in den konkreten Fällen Kipppunkte bereits erreicht sind oder in der näheren Zukunft erreicht werden, ist in der Forschung weitgehend umstritten. Das gilt auch für den Amazonasregenwald. So kommen jüngere Untersuchungen zu teils gegensätzlichen Einschätzungen, was die Bedrohung dieses einzigartigen Ökosystems betrifft. Die meisten Studien sehen die Existenz des Regenwalds in seiner heutigen Form durch zwei Prozesse gefährdet, 1. durch den Klimawandel und damit einhergehende Dürren und 2. durch die Abholzung und Umwandlung des Regenwalds in landwirtschaftliche Nutzflächen. Der Amazonasregenwald hat sich 65 Mio. Jahre lang gegenüber Klimaänderungen als relativ widerstandsfähig gezeigt. Der aktuelle Klimawandel und die Abholzung des Regenwalds stellen den Wald jedoch vor nie dagewesene Herausforderungen.[2]

Was spricht für den Amazonasregenwald als Kipppunkt?

Abb. 4: Kipppunkte-Potential im Amazonasgebiet im Jahr 2050: -1 (blau) = gering, 2-4 (orange bis rot) = hoch bis sehr hoch.

Klimamodelle der jüngsten Generation CMIP6 projizieren nach Flores et al. (2024)[2] bis 2050 für die Region je nach Szenario eine Erhöhung der jährlichen Maximumtemperatur um 2-4 °C und eine Zunahme von aufeinanderfolgenden trockenen Tagen um 10-30 Tage. Die mittlere Temperatur in der Trockenzeit liegt bereits heute in großen Teilen des zentralen und südöstlichen Amazonasgebietes um 2 °C höher als vor 40 Jahren. Wenn dieser Trend anhält, könnte diese Region bis zur Mitte des Jahrhunderts um 4 °C wärmer werden. Hinzu kämen mehr extreme Dürren und Waldbrände. Die Folgen wären die Umwandlung von größeren Teilen des Amazonasregenwalds von einem stabilen in einen instabilen Zustand. Nach Modellsimulationen könnten sich bis 2050 35-41% des Ökosystems von einem stabilen in einen instabilen Zustand umwandeln und 2-6% sich zu einer Savanne verändern.

Hinzu kommt, dass der Amazonasregenwald nach Schätzungen seit den 1970er Jahren fast 20% seiner Fläche durch Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzfläche verloren hat, wodurch es auch zu einem Verlust von mehr als 5 Gt Kohlenstoff gekommen ist. Der Verlust an Biomasse führte letztlich auch zu einer Reduzierung von recyceltem Niederschlag und Intensivierung von Trockenzeiten, begleitet von Waldbränden, denen weitere Bäume zum Opfer fielen. So gerät das System in einen sich selbst verstärkenden Prozess, an dessen Ende eine Savannisierung des Regenwalds stehen könnte. Kritische Grenzen zu einer Umwandlung des Regenwalds in eine Savanne werden von verschiedenen Autoren bei einer Temperaturerhöhung von 3-4 °C, einer Niederschlagsabnahme um 30-40% und einer Entwaldung von über 40% bzw. auch schon bei 20-25% gesehen. Und schon bei einer Erwärmung von 1,5-2 °C könnte der Regenwald bei einem signifikanten Verlust an Biomasse durch Abholzungen ernsthaft gefährdet sein.[5]

Was spricht dagegen?

Allerdings zeigen Modelle mit einer dynamischen Vegetation, dass durch die Widerstandsfähigkeit des Tropenwaldes gegenüber dem Klimawandel die Savannisierung möglicherweise nur halb so hoch ausfallen könnte. Der wesentliche Faktor dabei ist der höhere CO2-Gehalt der Atmosphäre, der das Wachstum der Bäume fördert und sie damit widerstandsfähiger gegenüber Wassermangel macht.[2] Eine höhere CO2-Konzentration führt dazu, dass die Stomata der Blätter sich zeitweilig schließen (s.o.), da sie in kürzerer Zeit ausreichend Kohlendioxid aufnehmen, und damit die Verdunstung und den Wasserverlust der Pflanzen reduzieren.[7]

Eine andere mögliche 'Rettung' des Amazonasregenwaldes, nämlich durch die Änderungen der großräumigen atmosphärischen Zirkulation, zeigt eine Untersuchung mit dem sehr hochaufgelösten globalen Klimamodell ICON des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des Deutschen Wetterdienstes.[8] Die früheren Globalmodelle sind nach Einschätzung der Studie zu grob aufgelöst, die Regionalmodelle räumlich zu begrenzt, um Wechselwirkung auf regionaler Ebene mit der großräumigen Zirkulation zu erfassen. Das globale Klimamodell ICON, das mit 5 km eine höhere Auflösung als die meisten Regionalmodelle besitzt, konnte diese Schwierigkeiten weitgehend vermeiden.[9] Das Modell geht von einer totalen Entwaldung des Amazonasgebietes aus. Die jährlichen Niederschläge über der Region würden sich dennoch nur um 4% reduzieren.[8]

Dafür gibt es zwei Gründe. Die starke Abnahme der Evapotranspiration durch die Entwaldung besitzt einen deutlichen Erwärmungseffekt, der nach den ICON-Modellberechnungen bei 4 °C liegen würde. Dadurch kommt es zu einem starken Hitzetief über dem Amazonasbecken, das in Bodennähe feuchte Luft vom Atlantik anziehen und zu erhöhten Niederschläge in einem schmalen Gürtel im Nordosten des Amazonasgebiets führen würde. Hinzu kommen großräumige Zirkulationsveränderungen in ca. 3 km Höhe und eine Verschiebung des Südatlantischen Subtropenhochs in der feuchten Jahreszeit. Die Folgen wären stärkere Niederschläge im nördlichen und südöstlichen Amazonasgebiet sowie entlang der Anden. Insgesamt wirkt die Änderung der großräumigen Zirkulation der Niederschlagsabnahme durch die Abholzung entgegen. Damit wäre die Existenz eines Kipppunktes für das Amazonasgebiet deutlich in Frage gestellt.[8]

Einzelnachweise

  1. Hochspringen nach: 1,0 1,1 1,2 Parsons, L.A. (2020): Implications of CMIP6 projected drying trends for 21st century Amazonian drought risk. Earth's Future, 8, e2020EF001608
  2. Hochspringen nach: 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Flores, B.M., E. Montoya, B. Sakschewskiet al. (2024): Critical transitions in the Amazon forest system. Nature 626, 555–564
  3. IPCC AR6 WGI (2021): Future Global Climate: Scenario-Based Projections and Near-Term Information, 4.8
  4. Kimm, H., S.-W. Park, S.-Y. Jun & J.-S. Kug (2024): How does plant CO2 physiological forcing amplify Amazon warming in CMIP6 Earth system models?, Earth's Future, 12, e2023EF004223
  5. Hochspringen nach: 5,0 5,1 Wang, S., A. Foster, E.A. Lenz et al. (2023): Mechanisms and impacts of Earth system tipping elements. Reviews of Geophysics, 61, 1.
  6. Lenton, T.M., D.I. Armstrong McKay, S. Loriani et al. (eds), (2023): The Global Tipping Points Report 2023, University of Exeter, Exeter, UK.
  7. Marengo, J.A., C.M. Souza Jr., K. Thonicke et al. (2018): Changes in Climate and Land Use Over the Amazon Region: Current and Future Variability and Trends. Front. Earth Sci. 6:228. doi: 10.3389/feart.2018.00228
  8. Hochspringen nach: 8,0 8,1 8,2 Yoon, A., & C. Hohenegger (2025): Muted amazon rainfall response to deforestation in a global storm-resolving model. Geophysical Research Letters, 52, e2024GL110503
  9. Max-Planck-Institut für Meteorologie, MPI-M (2025): Amazonas-Region widerstandsfähiger als gedacht



Klimadaten zum Thema

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